Künstlerkolonie Uttwil (TG)

Manuel Pestalozzi
13. November 2018
Bild: ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv/Fotograf: Zsolt, Somorjai/Com_FC18-8592-011 / CC BY-SA 4.0

Er kam von Weimar – und hatte die Vision von Uttwil als «neuem Weimar». Gegen Ende 2018 bezog der aus Belgien stammende Designer und Architekt Henry van de Velde, zuvor Leiter der Grossherzoglich Sächsischen Kunstgewerbeschule Weimar ein Haus am See. Weil seine finanziellen Mittel im Weimar blockiert blieben, zerschlug sich der Traum einer kunstgewerblichen Schule und Werkstätte. So reiste er im Januar 1920 eher schweren Herzens weiter in die Niederlande, wo er für das Mäzenaten-Ehepaar Kröller-Müller ein Museum in Otterloo entwarf.
 
Während seines Aufenthalts im Thurgau übte Henry van de Velde in Uttwil aber eine beträchtliche Anziehungskraft auf die Kunstszene aus. So überlegte sich sein Freund Ernst Ludwig Kirchner 1918 die Übersiedelung nach Uttwil und entwarf schon den Briefkopf der geplanten Künstlerkolonie. Als Bewohner auf Zeit kamen René Schickele mit seiner Familie, Annette Kolb und das Ehepaar Thea und Carl Sternheim mit ihren Kindern. Zu deren Gäste zählten Oskar Fried, Ferdinand Hardekopf, Salomon Grumbach, Rudolf Hilferding, Frans Masereel, Conrad Felixmüller, Thomas Mann mit Familie, Pamela Wedekind und viele andere.
 
Nach etwa zehn Jahren waren alle Berühmtheiten wieder in ganz Europa verstreut. Die stattlichen Häuser und deren Geschichte zogen in der Folge Schweizer Künstler an, von denen einige dann auch bis zum Lebens­abend in Uttwil blieben. Dazu gehör­ten der Grafiker und Maler Ernst E. Schlatter, der Schriftsteller Paul Ilg, der Kunstkritiker und Künstler Walter Kern, und – als später Nachfolger van de Veldes im Haus am See – der Schriftsteller Emanuel Stickelberger.
 
All dies ist auf der Website nachzulesen, die zum 100jährigen Jubiläum dieser eher wenig bekannten Künstlerkolonie erstellt wurde. Von 2018 bis 2022 soll in jedem Jahr an einer bis zwei Veranstaltungen eine berühmte Persönlichkeit, die vor hundert Jahren in Uttwil gelebt hat, der breiten Öffentlichkeit bekannter gemacht werden. Am 23. November um 19.30 Uhr wird Kunsthistoriker Thomas Föhl aus Weimar über das Werk von Henry van de Velde referieren.

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