Mehr als Design

Susanna Koeberle
26. November 2018
ORG Permanent Modernity, Markthalle Foodmet in Brüssel, 2009-2015, © ORG Permanent Modernity. Bild: Filip Dujardin

Dass Design nicht primär etwas ist, das zur Behübschung unserer Wohnzimmer dient, zeigt sich nicht erst seit gestern. Design reflektierte schon immer sozialen Wandel – und gestaltete diesen mit. Schon während der beginnenden Industrialisierung entstanden Gegenbewegungen zur Massenproduktion wie etwa die Arts-and-Crafts-Bewegung. Nach dem ersten Weltkrieg spielten soziale Utopien erneut eine wichtige Rolle. Der Begriff Social Design kam dann in den 60er-Jahren im Zuge der Einsicht in die Grenzen des Wachstums auf. Victor Papaneks Buch «Design for the Real World. Human Ecology and Social Change»  aus 1971 – zurzeit ist dazu eine Ausstellung im Vitra Design Museum zu sehen; wir haben berichtet – ist bis heute eine wichtige Referenz, wenn es um Themen des Social Design geht. Diese sind heute aktueller denn je. Denn die Folgen der global agierenden Wachstumsökonomie werden für Menschen und Umwelt immer gravierender. Social Design stellt sich dem zunehmenden Ungleichgewicht in Bezug auf Ressourcen, Produktionsmittel und Zukunftschancen entgegen und setzt auf einen neuen, gleichberechtigten Austausch zwischen Individuum, Zivilgesellschaft, Staat und Wirtschaft auf der Basis von Dialog und Partizipation. Wie auch schon in früheren Krisenzeiten steht die Entwicklung einer weltoffenen sozialen Kultur und die Neugestaltung von sozialen Systemen, Lebens- und Arbeitsumgebungen, die eine Welt als Ganzes im Blick haben, zur Diskussion. Vor diesem Hintergrund entwickeln Architekten, Designerinnen, Handwerker und Ingenieure Lösungsansätze.

Gehl Architects, Reinstating Small-Scale Neighbourhoods in the Megacity, seit 2008, © GEHL/ENERGY FOUNDATION

Die Ausstellung im Museum für Gestaltung stellt 25 Projekte aus Bereichen wie Wohnen, Bildung, Arbeit, Umwelt, Migration oder urbaner Raum vor. Dabei stehen Projekte im öffentlichen Raum im Zentrum – einem Raum, an dessen Gestaltung Designer, Architektinnen und Landschaftsarchitekten gleichermassen beteiligt sind. Gerade in den wachsenden Megacities braucht es Freiräume, in denen verschiedene Bevölkerungsgruppen ihre Umgebung mitgestalten können. Die vorgestellten Projekte und Strategien initiieren durch eine aktive Partizipation der Menschen Prozesse, die Veränderungen anstossen können. Die Disziplin Design kann mehr als das Entwerfen von Konsumgütern. Das macht die ganze Sache nicht einfacher – im Gegenteil. Doch genau dieser Rolle zwischen den Fronten sollten sich auch Designerinnen und Designer vermehrt bewusst sein.

Der Pavillon von Antonio Scarponi / Conceptual Devices ist ein Werkzeug im Prozess der Reaktivierung von Land, «Campo Libero (The Innocent House)», 2016, © Antonio Scarponi / Conceptual Devices

Social Design
Partizipation und Empowerment
Herausgegeben von Museum für Gestaltung Zürich und Angeli Sachs
Lars Müller Publishers, 2018
ISBN 978-3-03778-571-3

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