Schützen und Pflegen

Elias Baumgarten
9. February 2019
Kulturlandschaft im Bergell mit historischen landwirtschaftlichen Nutzbauten. Bild: Schweizer Heimatschutz
Den Planungs- und Kompensationsansatz im Visier

Dieser Tage laufen im National- und Ständerat die Debatten um die zweite Revision des Raumplanungsgesetzes an. Sie soll das Bauen ausserhalb der Bauzonen neu regeln und den Kantonen mehr Freiräume bieten. Gegenstand der Diskussionen ist unter anderem der Umgang mit traditionellen landwirtschaftlichen Nutzbauten, die viele Landstriche der Schweiz prägen. Betroffen davon sind landesweit, so schätzt die Neue Zürcher Zeitung, etwa 400'000 Objekte. Seit am 31. Oktober 2018 der Bundesrat seine Botschaft zur Revision des nationalen Raumplanungsgesetzes bekannt gab, fürchtet der Schweizer Heimatschutz die forcierte Zerstörung wertvoller Baudenkmäler. Warum? Der Vorschlag zum Planungs- und Kompensationsansatz würde es gestatten, alte Ökonomiebauten – zum Beispiel Scheunen oder Ställe – aufzukaufen, abzubrechen und durch Neubauten mit gleichem Fussabdruck zu ersetzen.

Der Verein möchte dies verhindern. Er drängt darauf, die im Gewässerschutzgesetz von 1972 erstmalig festgehaltene Trennung von Bau- und Nichtbaugebieten nicht weiter aufzuweichen, sondern entschiedener durchzusetzen. Im März 2019 will er daher eine Volksinitiative lancieren, die sich gegen das Bauen ausserhalb von Bauzonen richtet. Das wurde am 7. Februar in einer Pressemitteilung bekannt gegeben. Unterstützung kommt dabei von Pro Natura, der Stiftung Landschaftsschutz und Birdlife Schweiz. Gleichzeitig veröffentlichte der Heimatschutz ein Positionspapier. Es umfasst sechs Punkte und zeichnet die Stossrichtung der Initiative vor, die derzeit zur Prüfung bei der Bundeskanzlei liegt. Im Gegensatz zur Zersiedlungsinitiative, über die am 10. Februar abgestimmt wurde, stehen nicht die Bauzonen im Fokus, sondern der Erhalt der Kulturlandschaft und ganz besonders von alten landwirtschaftlichen Gebäuden.

Die ehemalige Walsersiedlung Medergen bei Arosa. Bild: Andres Passwirth
Bestehende Regeln durchsetzen

Traditionell war die Schweizer Landwirtschaft geprägt von Handarbeit und Subsistenz. Es herrschte grosse Vielfalt landwirtschaftlicher Nutzungsformen – je nach klimatischen und geografischen Bedingungen. Doch heute erfolgt Landwirtschaft vielfach hochmechanisiert und mitunter industriell. Dies hat über die letzten Dekaden zur massiven Veränderung der Kulturlandschaft geführt: Grossvolumige Bauten sind entstanden und viele neue Strassen für schweres Gerät wurden angelegt. Die verbliebenen wertvollen Räume sind daher samt ihrer Baudenkmäler mit entschlossenem Vorgehen zu erhalten, so der Heimatschutz.

Doch wie kann das gelingen? Gefordert wird, keine weiteren Schlupflöcher für Bauaktivitäten ausserhalb der Baugebiete zuzulassen und bestehende zu stopfen. Denn heute gebe es bereits umfangreiche Ausnahmeregelungen, beklagt der Heimatschutz. So dürfen Neubauten für landwirtschaftliches Wohnen ausserhalb der Bauzonen entstehen und vor 1972 errichtete Wohnhäuser recht frei umgebaut oder gar ersetzt werden. Und auch nach 1972 für Bäuerinnen und Bauern gebaute Objekte dürfen umgenutzt werden, wenn sie für die Landwirtschaft nicht mehr benötigt werden. Ferner können die Kantone in ihren Richtplänen Landschaftsschutz-, Erhaltungs-, Weiler- und Maiensässzonen ausscheiden und so traditionelle Kleinsiedlungen in Nichtbaugebieten erhalten beziehungsweise bauliche Eingriffe daran erlauben. All dies befördert, so der Heimatschutz, die Zerstörung von Baudenkmälern durch unsensible Umbauten und Abriss. Darum verlangt er eine konsequentere Inventarisierung durch die Kantone, keine neuen Ausnahmeregeln und eine strengere Anwendung bestehender Gesetze. Umnutzungen sollen nur gestattet sein, wenn sie dem Schutz von Bauten und Kulturlandschaften dienen. Konkret soll die Anlage neuer Erschliessungen unterbunden und eine angepasste landwirtschaftliche Nutzung vorgeschrieben werden. Landwirtschaftliche und touristische Investitionshilfen sollen ferner nur noch gesprochen werden, wenn ein aktiver Beitrag zu Schutz und Pflege der Kulturlandschaft nachweislich geleistet wird.

Urteil mit Signalwirkung

Anfang Februar hat das Bundesgericht indes ein Leiturteil zur Umnutzung landwirtschaftlicher Bauten gefällt, dass den Heimatschutz, der bestehende Gesetze strenger angewendet sehen will, in seiner Haltung bestätigt. Das Kantonale Verwaltungsgericht Graubündens hatte den Umbau eines Stalls im Hochtal Fondei zum Feriendomizil gebilligt. Doch die Bundesrichter kippten den Entscheid nach einem Einspruch des Bundesamts für Raumplanung. Sie befanden, die ausgewiesene Spezialzone beziehe sich auf ein isoliertes Kleinstgebiet, was nicht akzeptabel sei. Denn für die Nutzung hätten eigens Zufahrten gebaut sowie Wasser- und Abwasserleitungen gelegt werden müssen. Das Urteil ist auch deshalb bemerkenswert, weil Bundesorgane gesetzliche Vorgaben gegen kantonale Stellen durchsetzten und damit in die Kantonsautonomie eingriffen. Dies könnte Grundsatzdiskussionen nach sich ziehen. Doch Ständerat Werner Luginbühl aus Bern findet, die Eigenständigkeit der Kantone bedeute Spielräume innerhalb gesetzlicher Vorgaben des Bundes – nicht ausserhalb wie in Graubünden. Er sagte der Neun Zürcher Zeitung: «Dass das Bundesamt für Raumplanung genau hinschaut, wie die Kantone die bundesrechtlichen Vorgaben umsetzen, ist nötig und zweckmässig und eine Lehre aus den Fehlern der Vergangenheit.» Dem dürfte man beim Heimatschutz beipflichten, denn auch der Verein fordert mehr Mitsprache für den Bund und mehr Einmischung seinerseits.

Die Fiore di Pietra auf dem Monte Generoso von Mario Botta. Bild: Enrico Cano
Aussen vor

Der Heimatschutz fokussiert mit seinem Positionspapier auf alte, noch unveränderte landwirtschaftliche Bauten ausserhalb der Bauzonen. Sie sollen erhalten werden. Umnutzungen und Umbauten gegenüber zeigt er sich skeptisch. Dabei gerät in den Hintergrund, dass viele weitere Eingriffe ausserhalb der Baugebiete die traditionelle Kulturlandschaft – wahrscheinlich mehr noch als Umbauten von Maiensässen – in Mitleidenschaft ziehen, so etwa die Infrastrukturen und Prestigebauten der Tourismusindustrie. 

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