Zwei Hallen, zwei Nutzungen, ein Ensemble

Ernst Niklaus Fausch Partner
17. febrero 2022
Schulhaus und Doppelsporthalle fassen den neuen Pausenplatz. (Foto: Johannes Marburg)
Herr Ernst, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Auf den ersten Blick war es eine gewöhnliche Aufgabe, wie sie sich hierzulande oft stellt: Eine Gemeinde brauchte neuen Schul- und Sportraum und schrieb dafür einen Studienauftrag aus. Für uns Architekten hingegen bot sich die Möglichkeit, an einem bereits stimmigen und gut gestalteten Schulcampus weiterbauen zu dürfen, dessen Qualitäten zu stärken und die Defizite zu beheben. Zusätzlich war im Studienauftrag ein Kostendach von CHF 23,1 Millionen festgeschrieben, welches es einzuhalten galt. Wir haben deshalb bürointern bereits im Studienauftrag einen Design-to-cost-Prozess durchgespielt mit dem Ziel, der Gemeinde so viel Schul- und Sportraum wie möglich für ihr Budget zur Verfügung stellen zu können. Und das ist uns schlussendlich gelungen: Die Kosten beliefen sich auf CHF 22,9 Millionen.

 

Aus dem unterschiedlichen Materialeinsatz ergibt sich ein unverkennbares Licht- und Schattenspiel. (Foto: Johannes Marburg)
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?


Inspiriert haben uns didaktische, ortsbauliche, architektonische und strukturelle Gegebenheiten, Absichten und Überlegungen. Didaktisch dahingehend, dass wir nach einer architektonischen Struktur suchten, die es ermöglicht, die gesamte Schule als Lernwelt zu erleben. Die zentrale Halle ist dabei Erschliessung und Unterrichtsraum zugleich und bringt natürliches Licht in die Mitte des Gebäudes. Unterschiedlich farbige Holzverkleidungen bilden ihre inneren Fassaden. Um diese Halle liegt ein Kreis aus Schulzimmern, welche den vielfältigen technischen und didaktischen Anforderungen an aktuelle Schulräume gerecht werden. Jedes Schulzimmer verfügt über einen Zugang zu einer Loggia, auf der zum Beispiel die im Biologieunterricht besprochenen Pflanzen gepflanzt werden können. So entstehen unterschiedlichste Lernräume innerhalb einer gemeinsamen Struktur. 

Ortsbaulich und architektonisch, weil wir den bestehenden Campus als Ausgangslage für unser Projekt nahmen. Die alte Schulanlage weist verschiedene Qualitäten auf: ihre klare Organisation mit einem starken Rückgrat, den intelligenten Umgang mit der Topografie mit erhöht liegenden Sportanlagen und das Fassadenmaterial Klinker.

Strukturell interessierte uns schliesslich die Gemeinsamkeit von Schulhalle und Sporthalle. Die Tragstruktur aus vorgefertigtem Beton wurde inszeniert und mit Leichtbauelementen in verwandten Farben ausgefacht. So entstand die beabsichtigte räumliche Verwandtschaft von Unterrichts- und Sportbereich. 

 

Lochraster im Flämischen Verband im Bereich der Brüstungen (Foto: Johannes Marburg)
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?


Der Ort hat in mehreren Bereichen auf den Entwurf eingewirkt. Kulturell dahingehend, dass bereits eine architektonisch spannende Schulanlage vorlag, die es zu stärken und mit den neuen Bauten zu einem stimmigen Ensemble zu ergänzen galt. Inhaltlich insofern, als dass wir bei der bestehenden Anlage ein Defizit hinsichtlich eines klaren Schulhausplatzes ausmachten und wir durch die Aufteilung in zwei Volumen einen räumlich gefassten Platz bereitstellen konnten. Topografisch schliesslich, weil wir das Gefälle von einem Geschoss ausnutzen konnten, um der Sporthalle einen oberen Zugang zu den Leichtathletikanlagen und eine separat erschlossene Ebene für die Zuschauer*innen (zum Beispiel an Sportfesten) zu geben – etwas, das zwar gar nicht von der Gemeinde bestellt war, jetzt aber gerne genutzt wird.

Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?


Bauen ist immer Bauen für die Nutzer*innen, somit wirken diese immer mit und prägen das fertige Bauwerk. In Würenlingen geschah dies vor allem auch während des Studienauftrages insbesondere durch ein sorgfältig ausgearbeitetes Programm mit klar beschriebenen didaktischen Vorstellungen. Bei diesem Projekt hat sich auch der in einem Studienauftrag übliche Dialog bewährt. Er ermöglichte bereits sehr früh im Planungsprozess, auf Anregungen und Erkenntnisse der Bauherrschaft einzugehen.

Während der Planungs- und Bauphase handelte es sich vor allem auch um Präzisierungen innerhalb des Konzepts, insbesondere im Bereich der Büros der Schulleitung. Aus dem ursprünglich angedachten Grossraumbüro wurden Einzelräumen. Und auch die Aula hat sich im Verlauf der Projektierung weiterentwickelt: Aus einer Schulaula wurde schlussendlich ein grosser multifunktionaler Saal für die ganze Gemeinde.

 

Schulzimmer mit Loggia und perforierter Brüstung (Foto: Johannes Marburg)
Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?


Hervorzuheben ist eine Änderung der Etappierung. Während lange vorgesehen war, das Schulhaus zuerst und die Turnhalle deutlich später zu realisieren, wurde in der Projektierungsphase entschieden, doch das Gesamtprojekt zur Realisierung und somit auch zur Abstimmung zu bringen. Dieser Entschluss wurde gefasst, nachdem das gesamte Projekt bereits auf eine unabhängige Etappierung ausgelegt war. Dies machte organisatorische Anpassungen im Büro und technische Anpassungen am Projekt erforderlich. Hinzu kam eine gewisse Nervosität darüber, ob der gesamte Betrag von der Bevölkerung genehmigt würde oder das Projekt wegen den für die Gemeinde hohen Kosten «abstürzt».

 

Schulhalle für unterschiedlichste Nutzungen (Foto: Johannes Marburg)
Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten des Büros ein?


Wir planen momentan unser dreizehntes Schulhaus. Somit ist das Projekt in Würenlingen ein Teil unserer architektonischen Auseinandersetzung mit dem Bau von didaktischen Räumen. Dabei geht es uns immer auch darum, dass die Architektur eines Schulhauses ein räumlicher Bestandteil des didaktischen Konzeptes werden kann.

Bei vielen unserer Projekte – seien sie städtebaulich oder architektonisch, Neubauten oder Umbauten – bildet zudem die Auseinandersetzung mit bestehenden Strukturen auf unterschiedlichen Massstabsebenen oft den Ausgangspunkt unserer Arbeit. Bei diesem Projekt war diese Auseinandersetzung sowohl städtebaulich als auch architektonisch sehr direkt, da wir, wie ich bereits erwähnt habe, einen stimmigen Campus vorfanden, den wir ergänzen und erweitern wollten. Dabei ging es uns nie um ein didaktisches Absetzen des Neuen vom Bestehenden, sondern um ein dialektisches Miteinander von bestehender und neuer Architektur.

Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?


Ja, und zwar in dem Sinne, dass wir versuchten, ein Haus ohne viel Lüftungstechnik zu bauen, das trotzdem den hohen energetischen Anforderungen gerecht wird. So sind alle Räume inklusive der Turnhalle natürlich über zwei Seiten (quer)lüftbar. Eine mechanische Lüftungsanlage gibt es nur für die Nassräume und den Keller. Im ersten heissen Sommer hat sich dies bewährt und eine Lüftungsanlage wurde nie vermisst. Konstruktiv handelt es sich um Massivbauten, deren Baumasse zur Nachtauskühlung und Phasenverschiebung genutzt wird.

 

Doppelsporthalle mit Sichtbezug zur Schulanlage (Foto: Johannes Marburg)
Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?


Ganz offensichtlich der Klinker. Wir haben bereits früh im Studienauftrag entschieden, dass das neue Schulhaus ein Teil des gesamten Campus werden soll – in Bezug auf seine Volumetrie, seine topografische Setzung und eben auch in Bezug auf seine Materialisierung und Farbgebung. Die Fassaden der Neubauten nehmen den hellen Klinker der übrigen Anlage auf und setzen ihn zeitgemäss neu im Läufer- und im Flämischen Verband ein. In den Brüstungsbereichen ist der Binderziegel zugunsten eines Lochrasters entfallen (Nachtauskühlung), während er in den Eck- und Sturzbereichen vorsteht. So entsteht ein unverkennbares Licht- und Schattenspiel, das den Neubauten eine eigene Identität innerhalb des Campus verleiht.

 

Schwarzplan
Grundriss Erdgeschoss
Grundriss Obergeschoss
Längsschnitt
Querschnitt
Fassadenschnitt
Bauwerk
Schulanlage Weissenstein
 
Standort
Weissensteinweg 3, 5303 Würenlingen
 
Nutzung
Primarschulhaus, Kindergarten, öffentliche Aula und Doppelsporthalle
 
Auftragsart
Studienauftrag, 2016, 1. Rang
 
Bauherrschaft
Einwohnergemeinde Würenlingen
 
Architektur
Ernst Niklaus Fausch Partner AG, Zürich
Ursina Fausch (verantwortliche Partnerin), Bertram Ernst (Studienauftrag), Miriam Jörn (Projektleitung), Raquel Gómez-Sánchez und Anna Knop (Architektinnen), Jessica Wälti und Michael Baumgartner (Bauleitung)
 
 
Fachplaner
Bauingenieur: HKP Bauingenieure AG, Baden
Elektroingenieur: Bhend Elektroplan GmbH, Suhr
HLKS-Planung: Gähler + Partner AG, Ennetbaden
Bauphysik: Durable Planung und Beratung GmbH, Zürich
Lichtplanung: Lightsphere GmbH, Zürich
Fassadenplanung: Lüchinger Meyer Hermansen, Kopenhagen
Landschaftsarchitektur: Müller Illien Landschaftsarchitekten GmbH, Zürich
 
Jahr der Fertigstellung
2020/21
 
Gesamtkosten BKP 1–9
CHF 22,9 Mio.
 
Gebäudekosten BKP 2 
CHF 18,9 Mio.
 
Gebäudevolumen 
32900 m3 gemäss sia 416
 
Kubikmeterpreis
BKP 1–9: 696 CHF/m3
BKP 2: 574 CHF/m3
 
Fotos
Johannes Marburg, Genf

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