Neue Räume?

Susanna Koeberle
14. noviembre 2019
Annette Douglas zeigte ihre neue Kollektion «Twist» (Visualisierung: Annette Douglas)

Eine Designmesse ist eine Designmesse ist eine Designmesse ist eine Designmesse. Weit gefehlt. Denn hier kommt die Kunst! Für ihre 10. Edition hat sich die Designmesse «neue räume» «etwas Besonderes» einfallen lassen, wie Kurator Stefan Zwicky an der Eröffnung verkündete. Die Berliner Künstlerin Anca Munteanu Rimnic wurde eingeladen, die Räume zu «bespielen». Wenn bespielen bedeutet, dass man einige Werke beliebig zwischen die Stände platziert und auch noch als sogenannte «Key Visual» verwendet, dann frage ich mich ernsthaft, ob das die Arbeit der Künstlerin nicht eher abwertet. Es wird auch nicht klar, welchen Mehrwert dieser «Schritt in die Zukunft» (so Zwicky an der Vernissage) generieren soll. Die Arbeit der Künstlerin ist durchaus interessant und ihre Themen haben im Entfernten auch etwas mit «Design» zu tun. Aber was soll die Aussage dieser Besiedlung durch Kunst sein? 

Die Messe beruft sich dabei auf keinen geringeren als den Kurator Hans Ulrich Obrist (bekannt als «HUO»), der in einem Gespräch mit Demna Gvasalia (Gründer und nicht mehr (!) künstlerischer Leiter des Fashionlabels «Vêtements») die Bedeutung von Kooperation betonte und über die Rolle der Künstler*innen für die Zukunft nachdachte. Dass Kunst wichtig ist, bezweifeln wir auch nicht. Und auch die gegenseitige Befruchtung zwischen Wissenschaft, Kunst, Architektur und Design ist eine gute Sache. In diesem Kontext wirkt Kunst allerdings eher wie eine Form der Anbiederung denn ein Schritt in die Zukunft. Junge Designer*innen könnten ja auch Unterstützung brauchen. Es gäbe für eine Designmesse genug Möglichkeiten, den Designdiskurs zu reflektieren und mitzugestalten – auch wenn das Hauptziel einer solchen Veranstaltung ja das Business ist. Die Möbelbranche serbelt allerdings. Und deswegen erscheint es als zynisch, wenn sich ein etabliertes Format wie «neue räume» diesem Thema einfach verschliesst und stattdessen ein paar nette Kunstwerke in die Materialschlacht einflechtet. Einen Schritt in die «richtige» Richtung macht die Messe mit dem Format «Signature Labels», bei dem kleineren Herstellern eine Plattform geboten wird.

Die Arbeit «Ursu» von Anca Munteanu Rimnic ist auch an der «neuen räume» zu sehen. (Foto: Anca Munteanu Rimnic)

Eine Messe ist auch immer ein schöner Anlass für Begegnungen und für Austausch. So konnten wir bei einem wunderbaren Kaffee am Stand von Schätti Leuchten mit Jörg Boner schwatzen. Es ist immer wieder beeindruckend zu sehen, wie sensibel der Designer mit der DNA des Metallspezialisten umgeht und dabei auf subtile Weise seine eigene Formensprache einbringt. Der allgemeinen Hektik der Vernissage entfliehen konnten Besucher*innen in der pavillonartigen Oase von «Das Ideale Heim». Wie der Titel «Green Coworking Spaces 2020» antönt, möchte die Installation für Formen des Zusammenarbeitens (schon wieder) sowie für die neue «grüne Welle» (wir hoffen, es bleibt nicht bei der leeren Worthülse) sensibilisieren. Im Schutz von kunstvoll aneinander gefügten Holzlatten und etlichen Pflanzen unterhielten wir uns mit der Künstlerin und Designerin Salomé Bäumlin, die von ihrem Handwerk-Projekt «Ait Selma» im Süden von Marokko erzählte. Sie arbeitet dort mit Berber-Frauen zusammen und besucht das Dorf mehrmals im Jahr. Aus dieser Kooperation entstehen wunderschöne Teppichunikate aus Schafwolle. 

Die Textildesignerin Annette Douglas wiederum zeigte uns ihre neusten Arbeiten, die sie anlässlich des 20-jährigen Bestehens ihrer Firma präsentiert. Für die achteckigen Teppiche «Twist» greift auch sie auf das Können von Frauen zurück. Sie arbeitet mit passionierten Seniorinnen zusammen, welche zunächst Schnüre häkeln. Douglas und ihr Team kleben diese dann auf eine Filzfläche. Zudem liess sie sich für das Material Glas begeistern und kreierte in Zusammenarbeit mit dem Glasmacher Wolfgang Mengon eine Serie Vasen in seiner kleinen Glasmanufaktur in Hallau. Gespannt waren wir auf die Resultate des Designwettbewerbs, den der Verein mobiglias ausgeschrieben hatte. Dabei steht das Fördern der handwerklichen Holzverarbeitung in Graubünden im Zentrum. Wir sprachen mit der Schreinerin Barbara Schuler-Rozzi aus Bergün, in deren Betrieb die Garderobe «Colliazun» (Design: Jon Fadri Jann aus Sent) umgesetzt wurde. Diese gewann ex aequo mit dem Tisch «Traifegl» von Fabian Weber den ersten Rang. Gespräche sind immer der erste Schritt für Neues, das ist auch bei Design so. Es bleibt, den Besucher*innen anregende Konversationen zu wünschen.

Verschiedene Modelle von Jörg Boner für Schätti Leuchten (Foto: zvg)

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