A la tschertga d’origin – Zukunft für ein Baudenkmal

SAGA und Lukas Lenherr
10. décembre 2020
Foto: Florian Amoser
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Ein denkmalgeschütztes Gebäudeensemble aus dem späten 16. Jahrhundert, das in seiner Geschichte unter anderem bereits eine Pferdewechselstation der Albula Post, mehrere Generationen einer Bauernfamilie und kurzzeitig auch den Dorfladen beherbergt hat, sollte räumlich den neuen Bedürfnissen der Besitzer*innen angepasst werden. Ausserdem sollte es technisch und energetisch auf den aktuellsten Stand gebracht werden, um für die Zukunft gerüstet zu sein. Mit den sich stets wandelnden Nutzungen und Bedürfnissen unterlag das Haus über die Jahrhunderte unzähligen baulichen Anpassungen: Wände und Decken wurden eingezogen, Türen eingesetzt und wieder entfernt, Küchen und Nasszellen eingebaut. Im Laufe des Projekts wurde immer klarer, dass unsere Intervention ein weiterer, kleiner Teil einer langen Metamorphose ist.

Die Ostfassade mit dem Heuteil links und Eingang zum Sulèr (Foto: Florian Amoser)
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?


Das traditionelle Engadiner Bauernhaus ist eine einzigartige Gebäudetypologie. Ortstypische Räume mit spezifischen Charakteristika wurden nach immer gleicher Logik angeordnet. Auch beim Haus, das diesem Projekt zugrunde liegt, sind Cuort, Stalla und Tabla, die gewölbte Küche und Vorratskammer, die getäferte Stüva und Chambra noch vorhanden. 

Die Westfassade mit dem Haupteingang (Foto: Florian Amoser)
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?


Jeder künftige Eingriff steht automatisch in direktem Bezug zur baukünstlerischen Tradition. Die traditionellen, ehrlichen und zeitlosen Materialien – lokales Arvenholz, hexagonale Tonplatten sowie Schwarzstahl – hatten eine starke Wirkung auf uns. Diese unverwüstlichen und doch rohen, lebendigen Oberflächen dürfen altern. Sie halten die Spuren der Zeit für die nächsten Generationen fest. Und sie können mit allen Sinnen erlebt werden: Das Arvenholz duftet nach Wald, der Schwarzstahl erinnert an Rauchküchen, Ofenrohre und Gusseisenpfannen, die alten Holz- und Tonböden riechen und erzählen Erlebtes.

Haupteingang verbunden mit Sulèr und Einbau (Foto: Florian Amoser)
Einbau im befreiten Sulèr; die Treppe führt ins Obergeschoss. (Foto: Florian Amoser)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?


Die Wünsche der Bauherrschaft waren klar: viel Stauraum, eine grosszügige Eingangssituation mit Platz zum An- und Ausziehen der Kinder, mehr Licht, mehr Luft, weniger Türen und Gänge, eine geselligere Küche. Das Projekt wurde in sehr intensivem und wöchentlichem Austausch mit der Bauherrschaft realisiert. Jene ist architektonisch und historisch interessiert und stand unkonventionellen Lösungen, etwa dem Aufbereiten der alten Bretterböden oder der Verwendung von unbehandelten und darum heikleren Baumaterialien, offen gegenüber. Sie hat sich mit uns auf die Suche nach dem Ursprung des Hauses gemacht.

Im Einbau befindet sich ein neues Bad. (Foto: Florian Amoser)
Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?


Viele der früheren Umbauten und Anpassungen wurden nie dokumentiert und so blieb die Planung bis zum Zeitpunkt des Abbruchs theoretisch und danach rollend. Statisch relevante Lärchenpfosten und Riegel sowie eine massive Holzwand, die zum Vorschein kamen, haben das Projekt massgeblich beeinflusst. Sie strukturieren heute «as found» den offenen Eingangsraum und ihre Präsenz fordert die neuen Einbauten zu einem Dialog auf. 

Küche (Foto: Florian Amoser)
Blick aus der Küche Richtung Sulèr beziehungsweise Haupteingang (Foto: Florian Amoser)
Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten des Büros ein?


Verzicht, Suffizienz, Rückbau, ökonomisches Bauen und natürliche, unbehandelte Materialien sind Grundkomponenten der Herangehensweise unserer Büros. So haben wir auch bei diesem Projekt versucht, wo immer möglich Materialien und Apparate wiederzuverwenden. Alle gewählten Materialien sind ökologisch, lokal und austauschbar. 

Wir suchen in unseren Projekten immer auch nach wandelbaren räumlichen Lösungen, die die Nutzungen in gewissem Masse offen lassen. So können sich Funktionen in ungewohnter Weise überlagern und Räume können je nach Bewohner*innen, Jahres- oder Tageszeit unterschiedlich genutzt werden.

Detail der Verstärkung der Statik (Foto: Florian Amoser)
Blick auf den Haupteingang und den Eingang zum Stübli (Foto: Florian Amoser)
Grundriss Erdgeschoss
Schnitt
Bauwerk
Chesa Via Principela 19
 
Standort
Via Principela 19, 7523 Madulain
 
Nutzung
Ferienhaus, Kunstgalerie, Gewerbe
 
Auftragsart
Direktauftrag
 
Bauherrschaft
privat
 
Architektur
SAGA Salomé Gutscher Architektur, Basel, und Lukas Lenherr Architektur, Quinten
 
Fachplaner 
Holzbau und Statik: M. Gemmet, Pontresina / Bever
HLKK: T. Semadeni, La Punt Chamues-ch
HLK: Giston AG, Samedan, GR
Elektro: Elektro Bernina AG, Pontresina / Madulain
 
Jahr der Fertigstellung
2020
 
Gesamtkosten BKP 1–9 
0,36 Mio.
 
Energiestandard
Fernwärme (Holzschnitzel), Verbund Madulain
 
Massgeblich beteiligte Unternehmer 
Asbestsanierung: Seiler AG, Pontresina
Rückbau: D. Vögele, Zürich
Baumeisterarbeiten: Rocca + Hotz Bau, Zuoz
Heizungs-, Lüftungs- und Sanitärarbeiten: Giston AG, Samedan
Elektroarbeiten: Elektro Bernina, Pontresina / Madulain
Hafnerarbeiten: Tschenett Ofen Platten GmbH, Müstair
Schreinerarbeiten: Fried AG, Bever
Boden- und Wandbeläge: Gabriele Nani, Samedan
Küchenarbeiten: Fried AG, Bever
Bodenarbeiten Holz: Fried AG, Bever
Malerarbeiten: Maler Del Curto, La Punt / St. Moritz
 
Fotos
Florian Amoser

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