Umnutzung als Erhaltung

Hinder Kalberer Architekten
13. février 2020
Ostfassade mit Hauptzugang und Anbau (Foto: Gataric Fotografie)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Der «Oberhaushof» erzählt die Geschichte der Familie Bühler, die seit Jahrhunderten in Feldbach ansässig ist. Das Ensemble besteht aus einem vornehmen Wohnhaus, einer 300-jährigen Trotte, einer Scheune, dem Waschhaus und einem schönen Umschwung, der bis zum See reicht. Der Hof wurde nie verkauft, sondern stets vererbt. Über die Zeit sammelte sich ein umfangreicher Kulturschatz aus alltäglichen Gegenständen, Werkzeugen und Kleidern an. Dieser sollte der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Für den Erhalt der Bauten und damit sich der Hof künftig finanziell trägt, wurde eine gemeinnützige Stiftung gegründet. 

Die Umgestaltung war kompliziert, weil Denkmalpflege, Statik und Brandschutz scheinbar unvereinbare Anforderungen stellten. Alle statischen Elemente wie Holzriegel und Balken, die Brandabschnitte definieren, sollten allseitig feuerhemmend mit Gipsfaserplatten gekapselt werden. Für die Denkmalpflege und uns Architekten war das ein Unding. Wir wollten möglichst viel von der noch vorhandenen historischen Substanz zeigen. Als Kompromiss wurden zusätzliche statische Ersatzbauteile eingefügt, beziehungsweise kam das Bemessungskonzept nach Abbrand zum Einsatz.

Maisonette-Wohnung im Dachgeschoss (Foto: Gataric Fotografie)
Westfassade (Foto: Gataric Fotografie)
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Die klar gegliederten Grundrisse historischer Bauern- und Herrschaftshäusern mit grosszügig durchlaufenden Hausfluren haben uns inspiriert. In den Wohnungen des zweiten Obergeschosses sind die dienenden Räume in der Mitte der 3-Kammer-Struktur positioniert. Im Dachgeschoss werden sie kompakt in einer Raumschicht vereint und lassen den liegenden Dachstuhl im Wohnzimmer spürbar.

Wohnung im 2. Obergeschoss (Foto: Gataric Fotografie)
Im Treppenhaus (Foto: Gataric Fotografie)
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?

In der Trotte erinnerte nur noch wenig an die historische Bausubstanz. Darum suchten wir in der Materialwahl und Formgebung historische Referenzen sowie ästhetische Zitate des dazugehörigen Oberhauses und des baukulturellen Umfelds. Im Gegensatz zum prachtvollen Oberhaus war die Trotte ein reines Ökonomiegebäude, dessen Konstruktionsart sich stets nach der zeitgenössischen Technik und Gebrauchstauglichkeit richtete. Mit dieser konstruktiven Sachlichkeit wurde zum Beispiel für die zusätzliche Tragstruktur leistungsfähiges Buchenbrettschichtholz gewählt, im Bereich des Treppenhauses wurden die Brandschutzplatten sichtbar belassen und die Leuchtenverrohrung wurde Aufputz geführt, um die Anzahl aufwendiger Durchdringungen zu reduzieren.

Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?

Unsere Projektstände und Gestaltungsvarianten wurden der Bauherrschaft an wenigen Sitzungen vorgestellt und mit ihr diskutiert. Wir hatten freie Hand und genossen das Vertrauen unserer Bauleute. Allerdings machte die Abstimmung mit der Denkmalpflege den Planungsprozess und die Entscheidungsfindung träge. Das tönt negativ, doch war der fachliche Austausch bereichernd. Diskutiert wurde im Wesentlichen über den Grad der Ablesbarkeit von Eingriffen wie neuen Fenstern, Tragstrukturen und Ersatzbauteilen. 

Fenstererweiterung im Dachgeschoss an der Westfassade (Foto: Gataric Fotografie)
Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?

In historischen Gebäuden trägt der Bestand mit seiner Materialität wesentlich zur Identität und Ästhetik bei. Sieht man aufmerksam hin, offenbaren alte Mauer- oder Holzwerke ihre Entstehungs- und Lebensgeschichte. Zum Beispiel entdeckt man in der Trotte zugemauerte Fenster, und die Spuren an den Balken über dem Wohnzimmer erzählen, dass sie vor über 300 Jahren bereits in einem früheren Gebäude verbaut waren.

Situation
Grundriss 1. Obergeschoss
Grundriss 2. Obergeschoss
Grundriss Dachgeschoss
Querschnitt
Name des Bauwerks
Umnutzung der Trotte des «Oberhaushof» in Feldbach
 
Ort
Seestrasse 2, 8714 Feldbach
 
Nutzung 
Fünf Wohnungen, eine Ferienwohnung im Anbau, Trottenraum als Lager für Hinterlassenschaft
 
Auftragsart
Direktauftrag
 
Bauherrschaft
Erbengemeinschaft Rosmarie Bühler, Winterthur
 
Architektur
Hinder Kalberer Architekten, Winterthur
Rahel Durot (Projektleitung Umbau, 2018), Claudia Jeltsch (Projekt- und Bauleitung Fassadensanierung, 2014)
 
Bauleitung
bauleiterosterwalder gmbh, Uster
 
Fachplaner
Holzbauingenieur und Brandschutz: Holzbaubüro Reusser, Winterthur
HLS-Planung: W+L Partner AG, Rapperswil
Elektroplanung: BS Wyss Elektro AG, Wolfhausen
Bauphysik: BWS Bauphysik AG, Winterthur
 
Jahr der Fertigstellung
2019
 
Gesamtkosten BKP 1-9 
CHF 2,4 Mio.
 
Gebäudekosten BKP 2 
CHF 2,0 Mio.
 
Gebäudevolumen
2'550 m3
 
Kubikmeterpreis
CHF 785
 
Massgeblich beteiligte Unternehmer 
Holzbau: Künzle Holz AG, Jona 
Schreiner: W. Rüegg AG, Kaltbrunn 
 
Fotos
Gataric Architekturfotografie, Zürich

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