Urban Mining am Basler Rheinufer

ARS Architektur
27. avril 2023
Die Buvette ist ein zentraler Treffpunkt zum Verweilen und Geniessen. (Foto: Toni Glauser)
Herr Husmann, Herr Schneider, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Marco Husmann (MH): Zum einen handelt es sich um einen saisonal genutzten Bau, der jeweils im Herbst ab- und im Frühling wieder aufgebaut wird. Er musste also auf die im Strassenverkehr zulässigen Transportmasse zerlegbar sein. Zum anderen stand am Bauplatz bereits über zehn Jahre eine etablierte Buvette mit architektonischer und gastronomischer Qualität. Unser Projekt sollte diesem Erbe gerecht werden und dennoch ein neues Erlebnis schaffen, das im Quartier und bei den Gästen auf Akzeptanz stösst. 

So sehen Radfahrer*innen, die rheinabwärts radeln, die Ausgabe-Buvette. (Foto: Roman Weyeneth)
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?


Andreas Schneider (AS): Wir wollten aufzeigen, dass das gesamte Baumaterial für die Buvette in der Stadt aufzufinden ist. Die Konzeption der neuen Buvette basiert auf den Ansätzen von Urban Mining und Re-Use. Zum Bau der Buvette wurden ausschliesslich wiederverwendete Baumaterialien von rückgebauten Gebäuden verwendet. Als Grundkonstruktion diente die Buvette, die zuvor am Bauplatz stand. Ausgefacht und verkleidet wurde unser Bauwerk unter anderem mit Altholz aus dem Basel Pavillon, einem temporären Gebäude, das im Rahmen der Architekturwoche Basel im vorigen Jahr auf dem Dreispitz-Areal entstand. Und auch sowohl die Betriebseinrichtung als auch die Möblierung stammen aus wiederverwerteten Beständen.

Sicht auf die Ausgabe- und Lager-Buvette mit dem Rhein im Hintergrund (Foto: Roman Weyeneth)
Wie haben Sie auf den Ort reagiert?


MH: Nahe des Basler Stadtzentrums und der Kaserne bildet dieser Ort einen bereits seit Jahren beliebten Treffpunkt. Er liegt am Rheinufer in der Verlängerung der Flucht der Florastrasse. Um diese Dynamik nicht zu unterbrechen und dem Ort trotzdem Halt zu geben, umfassen ihn neu zwei gegenüberliegende und mit einer langen Sitzbank verbundene Volumina. Dazwischen entsteht ein lauschiger Zwischenraum. Durch die unterschiedliche Dimensionierung der Volumina erweitert sich der Blickwinkel für die Gäste flussaufwärts Richtung Mittlere Brücke und auch die Silhouette der Grossbasler Altstadt ist zu sehen.

Haben Sie den Auftrag über einen Wettbewerbsbeitrag erhalten oder direkt erteilt bekommen?


AS: Die Standorte für die Buvetten werden alle zehn Jahre vom Kanton öffentlich ausgeschrieben. In einem selektiven Verfahren wählt eine Auslobungskommission bestehend aus Verwaltung, Anwohner*innen und Quartiervereinen aus einer Vielzahl eingereichter Konzepte aus. Die Basler Wyniger Gruppe lud uns ein, mit ihr zusammen das Siegerprojekt zu entwickeln. 

Sicht auf die Lager-Buvette mit einer vorgelagerten Pergola, die auf Akazienbaumstämmen ruht. (Foto: Roman Weyeneth)
Auf dem Dach der Ausgabe-Buvette ist eine PV-Anlage installiert. (Foto: Roman Weyeneth)
Welche besonderen Anforderungen wurden gestellt und wie sind Sie diesen gerecht geworden?


MH: Sowohl die externen als auch die internen Ansprüche, die an dieses vergleichsweise kleine Projekt gestellt werden, sind umfangreich: Der Standort liegt auf öffentlichem Grund und hat, wie erwähnt, eine Historie. Darauf reagiert unser Entwurf, indem er sichtbare oder denkbare Bezüge zu seiner Umgebung schafft – farblich, materiell, emotional – und dabei nicht den Anspruch hat, die Aufmerksamkeit unnötig auf sich zu ziehen.

Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?


AS: Die beiden jungen Gastronomen, die die Buvette heute betreiben, waren von Anfang an stark involviert. Die Entwicklung und Abstimmung des gastronomischen Angebots und des architektonischen Entwurfs verliefen Hand in Hand. 

Spiegelung auf der Tür der Personaltoilette (Foto: ARS Architektur)
Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?


MH: Zunächst wollten wir Schwemmholz aus dem Rhein fischen und verbauen. Da Schwemmholz allerdings nur bei Hochwasser anfällt und meist schon im Flusskraftwerk rheinaufwärts hängen bleibt, verwarfen wir diese Idee und verwendeten stattdessen lieber das Holz des Basel Pavillons. 

Weiter war unsere Grundidee, dass wir die beiden bestehenden Buvetten übernehmen wollen. Diese konnten wir von der vorherigen Betreiberschaft übernehmen. Die Nutzung des Vorgängerbaus inklusive aller Verkleidungen, Ausbau- und Küchenelemente war die Erfolgsgrundlage für unser Re-Use-Konzept. Unsere Anlage besteht zu 85 Prozent aus wiederverwendeten Teilen. Passend dazu basiert das gastronomische Angebot unter anderem auf Nahrungsmitteln, die vor der Entsorgung gerettet werden. 

Das WC-Element wird für die erste Saison im März dieses Jahres aufgestellt. (Foto: ARS Architektur)
Welche digitalen Instrumente haben Sie bei der Planung eingesetzt?


MH: Das Projekt eignete sich aufgrund seiner Grösse und Beschaffenheit nicht für komplexe digitale Instrumente. Im Gegenteil: In einer grossen Produktionshalle schweissten und zimmerten ein Dutzend Handwerker die gesammelten Materialien zusammen, und wir lösten die auftretenden konstruktiven und gestalterischen Herausforderungen interdisziplinär am physischen Objekt – man könnte wohl von einer anlogen Variante der BIM-Methode sprechen. 

Welche Überlegungen stecken hinter den Entscheidungen für die eingesetzten Materialien?


AS: Unser Ziel war, dass das Projekt in Bau und Betrieb gänzlich klimaneutral ist. Wiederverwendete Materialien sind – Transport und Verarbeitung ausgenommen – per se klimaneutral.

Versuche mit Re-Use-Baustoffen an den bestehenden, bereits entkernten Grundkonstruktionen (Foto: ARS Architektur)
Nur einige wenige Bauteile blieben übrig und wurden nicht verwendet. (Foto: ARS Architektur)
Beschäftigten Sie sich im Büro mit dem zirkulären Bauen und der sozialen Nachhaltigkeit?


AS: Kein Architekturbüro kann sich dem entziehen. Wenn wir heute an ein bestehendes Objekt herantreten, fragen wir uns zuerst: Wie können wir die vorhandene Substanz nutzen? Und dann wägen wir ab, ob die funktionalen Ziele des Raumprogramms tatsächlich einen Rückbau rechtfertigen.

Situation (© ARS Architektur)
Grundriss (© ARS Architektur)
Ansicht vom Rhein beziehungsweise der Florastrasse (© ARS Architektur)
Ansicht von Rheinauf- und abwärts (© ARS Architektur)
Ansicht von Rheinauf- und abwärts (© ARS Architektur)
Bauwerk
Buvette 7 – Flora am Rhy
 
Standort
Unterer Rheinweg 42-44, Höhe Florastrasse, 4058 Basel
 
Nutzung
Buvette (Eine Buvette ist ein temporäres Restaurant mit eingeschränktem gastronomischen Angebot und ohne Innensitzplätze, das nur saisonal betrieben wird.)
 
Auftragsart
Direktauftrag
 
Bauherrschaft
Tisch77 AG der Wyniger-Gruppe, Basel
 
Architektur
ARS Architektur AG, Helsinki-Strasse 7, Münchenstein
 
Fertigstellung
2023
 
Gesamtkosten BKP 1–9 
CHF 0.3 Mio.
 
Gebäudekosten BKP 2
CHF 0.15 Mio
 
Gebäudevolumen
75 m3 (SIA 416)
 
Kubikmeterpreis 
2000 CHF/m3
 
Energiestandard
Reiner Sommerbetrieb; PV-Anlage auf dem Dach zur Deckung des Energiebedarfs für den Betrieb
 
Massgeblich beteiligte Unternehmer 
Metall- und Holzbau, Malerarbeiten: Stamm Bau AG, Arlesheim
Dachabdichtung: Peressini Roofing AG, Grellingen
Elektrotechnische Installationen: Etavis AG, Basel
Photovoltaikanlage: Planeco AG, Basel
Sanitäre Installationen: Tschantré AG, Muttenz
Lüftungsanlagen: Riggenbach AG, Pratteln
Schreiner- und Malerarbeiten: Bürgerspital Basel
Schliessanlage: Ats AG, Allschwil
Gastronomieeinrichtung: KBZ Gastronomie-Einrichtungs AG, Pratteln
 
Fotos
Roman Weyeneth, Toni Glauser, beide Basel, und ARS Architektur, Münchenstein

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