Wohnen mit Demenz

Schneider Gmür Architekten
13. février 2019
Gartenansicht. Bild: Pit Brunner, Winterthur
Nutzung Wohnen für Menschen mit Demenz
Ort Steinackerweg 15, 8405 Winterthur ZH
Auftragsart Projektwettbewerb selektiv
Bauherrschaft Stiftung Altersheim St. Urban
Architektur Schneider Gmür Architekten ETH SIA Winterthur | Gesamtleitung: Daniel Gmür | Projektleitung: Alex Woods | Bauleitung: Andreas Conzelmann | Mitarbeiter: Patrick Suhner 
Jahr der Fertigstellung 2018
Gesamtkosten BKP 1–9 9,8 Mio. CHF
Gebäudekosten BKP 2 8 Mio. CHF
Gebäudevolumen SIA 416 8'194 m3
Kubikmeterpreis 976 CHF/m3
Energiestandard Minergie
Kunst am Bau Kunstschaffende mit besonderer Qualifikation bezüglich Bauaufgabe
Massgeblich beteiligte Unternehmer Baumeister: Hans Stutz AG, Winterthur | Fenster Holz Metall: Huber Fenster AG, Herisau | Schreinerarbeiten: Sigrist Rafz AG, Rafz | Türen: Raschle Holzbau AG, Kreuzlingen | Bodenbeläge aus Kunststein: Peterer Naturstein, St.Gallen | Elektro: Etavis AG, Winterthur | Sanitär: Paul Herzog AG, Winterthur | Heizung: Tribelhorn AG, Winterthur | Metallbauer: O. Hadorn AG, Winterthur | Gartenbauer: Markus Stieger AG, Warth 
Fotos Pit Brunner, Winterthur
Erschliessung. Bild: Pit Brunner, Winterthur
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Bauen für Menschen mit Demenz ist eine relativ neue Bauaufgabe, die eine direkte Folge der demografischen Entwicklung ist. Es gibt wenige, architektonisch ansprechende Referenzbeispiele, insbesondere wenn es darum geht, gesamte Wohnbauten für Menschen mit Demenz zu erstellen. Umso wichtiger war es für die Entwicklung unseres Projektes, eng mit der Bauherrschaft und weiteren Beratern zusammenzuarbeiten um ihre bereits gemachten Erfahrungen in das Projekt einfliessen lassen zu können. Dabei war uns wichtig, das Haus als Wohnhaus zu begreifen, in seiner äusserlichen Erscheinung wie auch in der inneren Organisation und räumlichen Atmosphäre.

Wohnraum. Bild: Pit Brunner, Winterthur
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Eine typische Architektur für Menschen mit Demenz gibt es nicht und sollte es auch nicht geben. Die räumliche Gestaltung und das dadurch hervorgerufene Behagen oder auch Unbehagen steht immer auch in Zusammenhang mit der Biographie der Bewohnerinnen und Bewohner. Jede Generation hat ihre eigenen, typischen biographischen Bezüge. Den jeweils „richtigen“ oder stimmigen räumlichen Rahmen zu finden, ist eine fortlaufende Aufgabe.
Gleichwohl gibt es grundsätzliche Überlegungen und Aspekte, die bei der Innenraumgestaltung von Pflegewohngruppen bzw. Betreuungseinheiten für Demenzkranke hilfreich sind und beachtet werden müssen. Individualität, Privatheit und Schutz, Orientierung, Übersichtlichkeit und Kleinräumlichkeit für die Bewohnerinnen und Bewohner sind dabei wesentliche, den Entwurf beeinflussende Aspekte. Dazu sollen die nachlassenden Sinne berücksichtig werden. Gute Lichtverhältnisse, Kontraste, haptische Qualitäten haben wir ebenso in die Raumplanung integriert.

Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt? (kulturell, topografisch etc.)

Die Stiftung Altersheim St. Urban hat ihren Standort Zentrum Freitag, dem schon das Haus Annemarie, ein altes umgebautes Bauernhaus, angehört, mit dem Haus Margrit erweitert. 24 zusätzliche stationäre Pflegeplätze für Menschen mit Demenz sind dazugekommen. Beide Häuser sind demenzkranken Bewohnerinnen und Bewohnern vorbehalten.
Die ortsbauliche und funktionale Beziehung zwischen alt und neu bildet den zentralen Aufhänger für das Projekt. Ein kleiner Vorplatz mit Baum und Sitzbänken schafft eine direkte Verbindung zum Bauernhaus. Das Haus Margrit vermittelt in dieser Schnittstelle, bindet sich maßvoll in die Körnigkeit des dörflichen Siedlungskörpers ein – und baut als unprätentiöses Gegenüber, mit seiner eigenständigen Kompaktheit und ruhigen Gestalt, einen Dialog auf zum altbäuerlichen Haus Annemarie.  

Bewohnerzimmer. Bild: Pit Brunner, Winterthur
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?

Sich in die Situation eines Menschen mit Demenz hineinzuversetzen ist für einen gesunden Menschen sehr anspruchsvoll. Für uns war es deshalb sehr bereichernd, im Austausch mit der Bauherrschaft das Projekt weiterzuentwickeln und das Wissen der Trägerschaft in die Projektierung einfliessen zu lassen. Die von uns gemachten Erfahrungen auf diesem Architekturfeld, der Input der Hausnutzer und Experten, der Pflegespezialisten, Psychiater, Wissenschaftler und nicht zuletzt der Heimleitung schärfte die Sinne für diese anspruchsvolle Aufgabe und mündete in eine hohe Planungssensibilität. Damit wurde versucht, möglichst adäquat auf die spezifischen Bedürfnisse der zukünftigen Bewohner einzugehen.

Kleiner Gartenausgang. Bild: Pit Brunner, Winterthur
Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?

Nein, die wesentlichen Projektideen waren bereits im Wettbewerbsbeitrag Bestandteil des Entwurfs. In der Weiterbearbeitung wurden die vorhandenen Elemente weiterentwickelt, konkretisiert und schliesslich umgesetzt. Es wurden aber auch Korrekturen vorgenommen, so wurde beispielsweise auf eine Betonelementfassade zugunsten einer besseren Einordnung ins direkte Umfeld verzichtet. Das Gebäude wurde mit einem eingefärbten Kratzputz verkleidet.

Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten des Büros ein?

Die Beschäftigung mit Wohnen gehört zu den Konstanten in unserem Schaffen. In den vergangenen Jahren haben wir uns dann immer stärker mit Bauten für Menschen mit besonderen Bedürfnissen auseinandergesetzt. Das Haus Margrit nimmt als Teil dieser Auseinandersetzung einen wichtigen Stellenwert ein. Unlängst konnten wir einen weiteren Wettbewerb in diesem Bereich gewinnen, bei dem ein bestehendes Altersheim mit einem größeren Haus für Menschen mit Demenz ergänzt wird. Auch hier – in der Ortschaft Rossrüti, nordöstlich von Wil SG – zählt die vorgeschlagene Bebauung in Volumetrie und Ausdruck zur Wohnarchitektur.

Stationszimmer. Bild: Pit Brunner, Winterthur
Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?

Der Neubau lehnt sich mit den verwendeten Materialien (Kratzputz, Sockel in Ortbeton, sandgestrahlt mit Kalkzuschlag) an den dörflichen Charakter des gebauten Umfeldes an. Damit nimmt er Rücksicht auf die Siedlungskörnigkeit und den ländlichen Kontext. Vertikale Fensterbänder, welche die französischen Balkone beinhalten, gliedern die Fassade und geben Filigranität. Ebenso vermögen einspringende Gebäudeecken dem Gesamtvolumen die Masse zu nehmen. Vorspringende Vordächer akzentuieren den Eingang, beschatten die Gartenterrassen und bilden einen witterungsgeschützten Übergang zwischen Innen- und Aussenraum. Der weglaufsichere Garten umfasst das ganze Gebäude und erlaubt den Bewohnerinnen und Bewohnern jederzeit Zugang ins Freie.
Viel Holz im Innern, möbliert mit aufgefrischten alten Sofas und modernen, altersgerechten und bequemen Sesseln prägen das Haus im Innenraum und verleihen ihm eine harmonische und unaufgeregte Eleganz. 

Situation
Grundriss 2. OG
Schnitt

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