Robotik und Handwerk vereint

Susanna Koeberle
5. avril 2018
Das «Robotic Fabrication Laboratory» der ETH Zürich ist die weltweit erste Forschungsplattform im Bereich roboterbasierter Vorfabrikation in der Architektur. Bild: NFS Digitale Fabrikation/Roman Keller

Beim Stichwort Holzbauweise erscheinen vor dem inneren Auge Bilder alpiner Architektur – natürlich von Hand gefertigt. Das könnte in Zukunft auch anders gehen. Oder zumindest teilweise. Das von der ETH-Professur «Gramazio Kohler Research» im Rahmen des Nationalen Forschungsschwerpunktes (NFS) Digitale Fabrikation neu entwickelte Holzbauverfahren kommt erstmals bei der neuen dreigeschossigen Unit DFAB House auf dem NEST (Next Evolution in Sustainable Building Technologies) der Empa und Eawag in Dübendorf (wir haben über die UMAR-Unit berichtet) zum Einsatz. Das neue Haus wird quasi als Adlernest auf dem bestehenden NEST-Gebäude sitzen (siehe Rendering weiter unten); es soll im Herbst dieses Jahres fertig gestellt und eröffnet werden. Das funktionsfähige Haus bietet Wohnraum für vier Gastforscher der ETH. Beim interdisziplinären Forschungsprojekt DFAB House sind acht Professuren der ETH sowie verschiedene Industriepartner beteiligt. Erstmals wird ein grossmassstäbliches Architekturprojekt mit Baurobotern des neuen Robotic Fabrication Laboratory (RFL) an der ETH Zürich umgesetzt.

Spatial Timber Assemblies heisst das neue Holzbauverfahren, das nun sechs tragende Holzmodule für das neue Bauwerk fertigt. Dieses ist (neben Mesh Mold, Smart Dynamic Casting und Smart Lab) eine weitere Gebäudekomponente des DFAB Houses, die digital geplant und fabriziert wird. Das Verfahren führt neue Möglichkeiten digitaler Fertigung im Holzbau vor, bei welcher Roboter einen Teil der Arbeit erledigen. An der Entwicklung beteiligt war die Erne AG Holzbau, mit der die ETH bereits beim robotergebauten Holzdach des Arch_Tech_Lab auf dem Campus Hönggerberg zusammengearbeitet hatte. Nun stellt sich natürlich die Frage, was denn Roboter besser machen als Menschen (dazu später eine Bemerkung). Oder was der Vorteil (oder die Vorteile) einer solchen neuartigen digitalen Planung und Fertigung ist (sind). Und einen Mehrwert muss es ja geben. Das ist bei Forschung nicht per se so, aber bei angewandter Forschung steht sicher ein konkretes Produkt als Ziel vor Augen – in einer ersten Phase dieses auf 12 Jahre angelegten Programms ist das eben das DFAB House

Eines von insgesamt sechs geometrisch individuellen Holzmodulen, das mit «Spatial Timber Assemblies» vorfabriziert wurde. Bild: Gramazio Kohler Research, ETH Zürich

Mensch und Maschine
Konkret bringt digitales Bauen bei Holzbauweise laut den Forschenden folgende Verbesserungen.
​1. Grössere Nachhaltigkeit: Die Bauweise spart Material, da bei Spacial Timber Assemblies auf Verstärkungsplatten zur Aussteifung verzichtet werden kann. Die erforderliche Tragfähigkeit ergibt sich aus der geometrischen Anordnung der Balken. 2. Neue gestalterische Freiheit: freie Formen sind ohne Mehrkosten möglich. 3. Erhöhte Effizienz: Da auch die Planung und Gestaltung digital geschieht, kann diese jederzeit an neue Anforderungen angepasst werden. Zudem wird die Produktion dank der massgeschneiderten Bauteile auch günstiger.

​Wie muss man sich eine solche Prozedur konkret vorstellen? Die Live Demonstration im Robotic Fabrication Laboratory führt die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine vor. Wobei das Ganze zwar Zukunftsmusik erklingen lässt, doch zugleich von einer ernüchternden Banalität ist. Vielleicht müssen wir auch das Bild des Roboters revidieren, beziehungsweise damit aufhören, diesen stets menschähnlich zu denken. Roboter sind nicht vielmehr als computergesteuerte Maschinen.

Der Computer errechnet auch ein Gestaltungsmodell und generiert damit aus 487 Holzbalken eine Geometrie. Zuerst nimmt ein Roboter einen Holzbalken auf und führt ihn der Säge zu. Nach dem Zuschnitt bohrt ein zweiter Roboter die notwendigen Löcher. Anschliessend kooperieren beide Roboter und ordnen die Blaken gemäss Computerentwurf im Raum an. Ein von den Forschenden entwickelter Algorithmus verhindert Kollisionen beim Positionieren. Und dann: Kommt ein Mensch! Verschraubt werden die Teile nämlich von Handwerkern. Ob dieser Arbeitschritt dereinst auch von Robotern übernommen werden kann, ist unklar. Noch ist der Mensch integraler Bestandteil dieser digitalen Fertigungsmethoden. Prof. Mathias Kohler betont denn auch, dass die digitale Fabrikation auf das enorme Wissen, das im Handwerk steckt, angewiesen sei. Umgekehrt könne die Digitalisierung das Handwerk aufwerten und neue Möglichkeiten eröffnen. 

Visualisierung der Unit «DFAB House» auf dem NEST der Empa und Eawag in Dübendorf. Rendering: NFS Digitale Fabrikation, Sept 2017

Technologie und Handwerk zusammen gedacht
​Wie diese Möglichkeiten aussehen könnten, müsste genauer definiert werden. Fest steht, dass heute sowohl in der Architektur wie auch im Design neue Fertigungsmethoden entstehen – die im Idealfall dazu beitragen könnten, sich den Herausforderungen zu stellen, welche die heutigen Umbrüche mit sich bringen; dazu gehört auch das Thema Nachhaltigkeit. Häufig lautet der Tenor, dass es diese Neuerungen seien, die unsere Welt vor neue Probleme stellen würden, man könnte aber ebenso andersherum argumentieren und darin auch Chancen sehen.
​Die Schweiz nimmt bezüglich neuen Technologien eine Pionierrolle ein. Es könnte wichtig sein, diese enorme Expertise verstärkt auch mit Handwerk, also menschlichen Fähigkeiten, zu verbinden. Denn ein frühzeitiger Dialog zwischen diesen zwei Welten könnte durchaus zu neuen Kollaborationsformen und Lösungsansätzen führen.

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