Roter Punkt und weisses Kreuz

Ulf Meyer
2. maggio 2019
Thomas Hildebrand beim Vortrag in Tokyo. Bild: Martin Eberle

Das «GYRE» («Wirbel») genannte Gebäude an Tokyos prächtigstem Boulevard, der Omote-sando, ist der erste Bau des niederländischen Büros MVRDV in der japanischen Kapitale. Die Spiralform des 2007 eingeweihten Hauses führt Passant*innen geradewegs ins «Auge» eines Wirbels aus chicen Boutiquen und Restaurants. In den zentralen Ausstellungsraum lud die neu gegründete Japan Swiss Architectural Association (JSAA) am 19. April dieses Jahres zum Austausch über japanische und Schweizer Architektur ein. 

Thomas Hildebrand und Yuichi Kodai waren eingeladen, unter dem Titel «Crafting Architecture» ihre Ideen vorzustellen, wie «Tradition und Handwerkskunst mit modernen Produktionstechniken verbunden werden können», so Hildebrand. Der Zürcher Architekt zeigte anhand seiner besten Arbeiten, wie er mit seinen Entwürfen Identität stiftet und ein Gefühl von Orts-Zugehörigkeit erzeugt. Hildebrand (*1967 in Bern) hat beim Wasserhaus am Blausee einen Holzpavillon mit geradezu japanischer Sensibilität in die Landschaft eingebettet. Das archaische Schutzdach erinnert an Berner Bauernhäuser. Drei Lagen Holzschindeln, die von innen sichtbar bleiben, bedecken das geschwungene Dach aus heimischer Kiefer. Die Schindeln wurden von einem der letzten Schindelmacher im Berner Oberland hergestellt.

Yuichi Kodai trägt vor. Bild: Martin Eberle

Hildebrand möchte mit Entwürfen wie für das Wasserhaus «Hightech mit Lowtech kombinieren und dabei alle Sinne ansprechen». Die «Fortführung lokaler Traditionen» könnte tatsächlich ein Schlüssel für die zeitgenössische japanische Architektur sein, wie der folgende Vortrag von Yuichi Kodai (*1978 in Kyoto) bewies. Nach acht Jahren bei Herzog & de Meuron in Basel, wechselte er 2013 zum Büro SANDWICH Inc. nach Kyoto, um für dieses den Kohtei-Kunstpavillon am Shinshoji-Tempel in Fukuyama zu entwerfen. Kohtei ist ein Bau in Schiffsform und liegt wirkungsvoll aufgeständert über einem Stein-Bett. Eine Rampe führt zum kleinen Eingang und dem dunklen Kunstraum dahinter, der mit hölzernen «Kokerabuki»-Schindeln verkleidet ist.

Mit derlei interessanten Gegenüberstellungen von attraktiven und aktuellen Entwürfen aus beiden Ländern kommt die JSAA ihrem Ziel, dem Austausch von «kulturellen Qualitäten und Technologien in der zeitgenössischen Architektur» zu dienen, schon sehr nah. Der Verein möchte auch in Zukunft durch Vorlesungen, Workshops und Ausstellungen den Dialog zwischen Japan und der Schweiz beleben – nicht nur für Architekt*innen, sondern auch für die breite Öffentlichkeit. 

Die Debatte fand im «GYRE» statt. Diesen Bau hat MVRDV entworfen. Bild: Martin Eberle

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