Lernarchitektur

Elias Baumgarten
14. novembre 2019
Foto © Basile Bornand

Über eine halbe Dekade ist es schon her, dass Oliver Brandenberger und Adrian Kloter den zweistufigen Wettbewerb um die Gestaltung eines neuen Primarschulhauses in Pfeffingen unweit Basel gewonnen haben. Nach dem Triumph folgte rasch Katerstimmung: Planungsstopp. Der starke Bevölkerungszuwachs hatte die Baukommission bewogen, die Schulraumfrage nochmals zu überdenken und neu zu verhandeln. Schliesslich entschied man, Mittagstisch, Tagesbetreuung und Spielgruppe im alten Schulhaus unterzubringen. Der Neubau, der allein die Primarschule aufnehmen würde, sollte zudem beträchtlich grösser ausfallen als im Wettbewerbsentwurf vorgesehen – man würde ein Geschoss höher bauen. Für die Architekten bedeutete das auch, dass die Konstruktion des auf einem erdbebengefährdeten Hanggrundstück stehenden Gebäudes angepasst werden musste: Hatten sie ursprünglich einen Holzbau gestaltet, wurde schlussendlich eine Betonkonstruktion umgesetzt. Auf diese Änderung weisen die geschosshohen Holzelemente hin, welche die Fassade gliedern. Diesen Herbst nun konnten die Kinder den Bau endlich erobern. 

Im Foyer (Foto © Basile Bornand)
Materialcollage im Foyer (Foto © Basile Bornand)
Grosszügig und hell

Betritt man das Schulhaus, so gelangt man zuerst in ein weitläufiges Foyer. Diese Halle bildet das Herz des Schulhauses. Sie ist mittig platziert und erstreckt sich über die komplette Tiefe des Gebäudes. Vier helle Klassenzimmer sind – wie auch in den beiden Geschossen darüber – über Eck angeordnet und stets von zwei Seiten her belichtet. Eine skulpturale Wendeltreppe aus Sichtbeton schraubt sich aus dem Foyer empor; sie erschliesst alle Ebenen und bricht das sonst rigide Raster des Gebäudes erfrischend. Zugleich referenziert sie an das benachbarte alte Schulhaus, das ebenfalls von einer gegen den Uhrzeigersinn drehenden Wendeltreppe geprägt wird. Über der Stiege befindet sich ein rundes Oberlicht, durch das allerdings nur ins erste und zweite Obergeschoss zusätzliches Licht dringt. Diese beiden Geschosse sind im Flur zudem über einen zweigeschossigen Raumteil an der Südfassade mit Galerie verbunden. Sie erhalten dadurch grosse räumliche und atmosphärische Qualität. Schade ist, dass das Foyer im Erdgeschoss hier nicht ganz mithalten kann; der tiefe Raum wirkt – trotz Belichtung von zwei Seiten – etwas gedrückt. Zur Entschädigung gibt ein grosses Fenster einen wunderbaren Blick nach Norden auf Basel frei. Lob verdient überdies auch die Materialisierung: Die versetzt gemauerten Backsteinwände, die Holzverkleidungen und metallenen Elemente sowie die Sichtbetonoberflächen harmonieren gut – eine ansprechende Collage unterschiedlicher Baustoffe und Texturen ist entstanden.

Das Oberlicht über der Wendeltreppe (Foto © Basile Bornand)
Im ersten Obergeschoss (Foto © Basile Bornand)
Ein zweigeschossiger Raumteil verbindet 1. und 2. Obergeschoss. (Foto © Basile Bornand)

Zwischen den Klassenzimmern sind Gruppen- und Erschliessungsräume angeordnet sowie Räume für die spezielle Förderung einzelner Schüler*innen, die mit Glaswänden und Vorhängen vom Gang abgetrennt sind. Die Klassen selbst sind überaus grosszügig: Weil die Garderoben vom Flur in die Räume verlegt wurden, messen sie 90 statt der sonst üblichen 70 Quadratmeter. Nachteilig scheint auf den ersten Blick einzig, dass bei schlechtem Wetter nasse, schmutzige Kleidungsstücke und Schuhe dort aufbewahrt werden. Jedoch hat sich das Konzept anderenorts – vor allem in Nordamerika – schon vielfach gut bewährt. Und bisher gab es in Pfeffingen keinerlei Klagen, so die Architekten. Leicht verschiebbare Pulte und raumteilende Möbel ermöglichen den Lehrer*innen jederzeit die Anpassung der räumlichen Konfiguration an den Unterricht. So kann der gemäss interkantonaler Vereinbarung über die Harmonisierung der obligatorischen Schulen (HarmoS-Konkordat) vorgesehene Wechsel vom Frontalunterricht zur Arbeit in sogenannten Lernlandschaften gut gelingen.

Foto © Basile Bornand
Zwischen den Klassenzimmern befinden sich Räume für Gruppenarbeiten. (Foto © Basile Bornand)
Im Sockelgeschoss haben die Lehrer*innen viel Platz, um sich auf den Unterricht vorzubereiten. (Foto © Basile Bornand)
Gelungene Einpassung


Pfeffingen ist aus städtebaulicher Sicht ein schwieriges Pflaster: Die Bebauung mit vielen Einzelhäusern ist heterogen und zerfahren. Und doch ist es Oliver Brandenberger und Adrian Kloter gelungen, den Campus aus altem Schulhaus, Kindergarten, Sportplatz und Mehrzweckhalle gegen Norden überzeugend abzuschliessen. Das vergleichsweise grosse Volumen fügt sich gut in seine Umgebung ein. Dazu trägt auch die Tonalität der Fassade aus Weisstanne bei. Sie harmoniert schön mit jener des alten Schulhauses und verweist zudem auf das Goetheanum, das nicht weit entfernt steht und von der Schule aus gut zu sehen ist.

Kleinen Schwächen zum Trotz überzeugt die neue Schule also. Besondere Freude bereitet sie den Kindern: Stolz führten sie ihre Eltern an der Eröffnung durch den Bau und erklärten ihn fachmännisch, nachdem dieser vorher vielfach im Unterricht behandelt wurde (viele herzerfrischende Zeichnungen des Hauses in den Klassenzimmern zeugen noch davon). Und in den WCs finden sich einzelne farbige Kacheln an den Wänden. Die Anordnung haben die Schüler*innen selbst gestaltet, die Architekten assistierten ihnen. Auf jeder WC-Tür sind die Namen der jungen Künstler*innen und ihrer Werke vermerkt.

Situationsplan
Grundriss Sockelgeschoss
Grundriss Erdgeschoss
Grundriss 1. Obergeschoss
Grundriss 2. Obergeschoss
Längsschnitt
Querschnitt
Bauherrschaft Gemeinde Pfeffingen
Architektur Brandenberger Kloter Architektenpartner: Oliver Brandenberger, Adrian Kloter, Cédric Odermatt, Matthias Sutter, Dominique Herzog, Robert Gemmel
Baumanagement Wirz & Partner Baumanagement AG
Fachplaner Bauingenieur: Aegerter & Bosshardt AG | Fassadenplanung Holzbau: Lauber Ingenieure AG | HLKK-Ingenieur: Alteno AG | Sanitär-Ingenieur: Roland Rufatti Sanitärplanung | Elektro-Ingenieur: Edeco AG | Bauphysik und Akustik: RSP Bauphysik AG
Fotos Basile Bornand

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