Künstlerhäuser im Wald – ein Ausflug nach Gockhausen

Manuel Pestalozzi
10. gennaio 2022
Das Atelierhaus, das der Architekt André Studer für sich und seine Frau Therese entwarf, versinnbildlicht die architektonische und ökologische Haltung hinter der ganzen Kolonie. (Foto: Manuel Pestalozzi)

Der Januar ist hierzulande ein sehr ruhiger Monat: Die kulturelle, geschäftliche und politische Betriebsamkeit ist markant verringert. Gefüllt wird das Januarloch beispielsweise mit Jahresschriften und Neujahrsblättern. Diese Tradition pflegt auch der Verschönerungsverein Dübendorf (VVD): Seit 1947 erscheint jährlich das «Heimatbuch Dübendorf», das sich mit der Entwicklung der Zürcher Vororts- und Flugplatzgemeinde auseinandersetzt. Bauliche Themen finden sich darin regelmässig. Bei der neuesten Ausgabe schaffte es eines sogar aufs Cover: Das Umschlagbild ist ein Foto der Künstlerin Isabel Rotzler. Es zeigt die Fassade eines Wohngebäudes des Architekten Eduard Neuenschwander (1924–2013) in Gockhausen, bemalt nach dem Farbkonzept des Malers und Grafikers Karl Schmid (1914–1998). Die Aufnahme kündigt einen Artikel von Rotzlers Vater, dem Landschaftsarchitekten Stefan Rotzler, an: «Die Gockhauser ‹Künstlerkolonie› – ein Generationenprojekt».

Das Atelierzentrum in Gockhausen von Eduard Neuenschwander (Foto: Manuel Pestalozzi)

Gockhausen liegt auf einer grossen Lichtung am Nordhang des Zürichbergs. In den vergangenen Jahren wurde der abgelegene Weiler, der zu Dübendorfs Gemeindegebiet gehört, vor allem durch den Kampf seiner Bewohner*innen gegen den Fluglärm bekannt. Anfangs der 1950er-Jahre bestand er noch aus wenigen Bauernhöfen. «Vorerst unerschlossenes Bauland war günstig zu haben», schreibt Stefan Rotzler in seinem Beitrag. Dem Künstler Gottfried Honegger (1917–2015) blieb das nicht verborgen. Er erstand ein Grundstück am talseitigen Waldrand und errichtete dort drei Atelierhäuser in Holzbauweise. Bald siedelten sich andere Kreative an, darunter auch Victor Cohen, der in Gockhausen die Werbeagentur Advico betrieb. Hinzu kamen Eduard Neuenschwander und Alice Biró (1923–2018), die beide nach dem Architekturstudium im Studio von Alvar Aalto in Finnland gearbeitet hatten. Neuenschwander sicherte sich ein Vorkaufsrecht auf 20000 Quadratmeter Bauland. Mit Berufskolleg*innen wollte er dort eine Künstlerkolonie errichten. «Die Vision beinhaltete eine locker gestreute Ateliersiedlung zum Arbeiten und Wohnen mit ganz speziellen Gebäude- und Dachformen», erklärt Stefan Rotzler. 

Die ursprünglichen Atelierbauten von Gottfried Honegger werden von der Familie des Architekten Stefan Rotzler ergänzt und den heutigen Anforderungen angepasst. (Foto: Manuel Pestalozzi)
Keine einheitliche Architektursprache, aber eine ökologische Pionierleistung

Zwar gelang es der Gruppe, dass ihr Land von der Gemeinde Dübendorf Ende der 1960er-Jahre in ihrem ersten Zonenplan als «Atelierzone» (damals ein Novum) eingetragen wurde. Doch die Idee blieb Stückwerk. «Die ursprünglich vorgesehene Utopie einer gemeinsamen Architektur- und Formensprache löste sich rasch in Einzelprojekte mit individuellen Architekturen auf», so Stefan Rotzler. Als eindrücklicher Zeuge der Ursprungsidee kann das Atelierhaus gelten, das der Architekt und Schriftsteller André Studer (1926–2007) für sich und seine Familie baute. Eduard Neuenschwander wandte sich unterdessen vermehrt der Landschaftsarchitektur zu. So realisierte er etwa in Zürich den Irchelpark. In seinem Atelierzentrum in Gockhausen liess er sich von seinen Erfahrungen in Finnland leiten; Bäume umringen in lockerer Anordnung die Gruppen von Gebäuden, das Dachwasser wird in Retentions- und Versickerungsteiche geleitet. Rotzler ordnet das folgendermassen ein: «Die ökologischen Pionierleistungen von Neuenschwander haben ein bis dato ganz unbekanntes, naturnahes Landschaftsbild mit grosser Biodiversität und Erlebniswert geschaffen».

Viele Wohnhäuser in der Atelierzone konnten von der Gründergeneration an ihre Erben übergeben werden, welche den Charakter des Quartiers erhalten und pflegen möchten. Sie streben die Schaffung einer Quartiererhaltungszone an. Damit soll auch Widerstand gegen den Verdichtungsdruck geleistet werden, welcher die laufende Zonenplanrevision in Dübendorf beeinflussen dürfte. Nicht nur die Einzelbauten, sondern vielmehr das ganze Ensemble soll der Nachwelt erhalten bleiben.

Lohnendes Ausflugsziel

Gockhausen ist für Architekturinteressierte und Kunstbegeisterte ein feines Ausflugsziel. Empfohlen sei eine Wanderung von der Tramstation Zoo auf Zürichs Allmend Fluntern. Sie führt vorbei an den jüngsten Erweiterungen der Zooanlage (Masoala-Regenwald, Kaeng-Krachan-Elefantenpark, Lewa-Savanne), anschliessend hinab in den Sagentobel und schliesslich hoch zum Tobelhof. Unterwegs hat man zuweilen einen herrlichen Blick ins Glatttal. Das Atelierquartier selbst hat ein verästeltes Netz von Fusswegen durch die Naturlandschaft. Es lohnt sich, dieses ausführlich zu erkunden, denn bald hinter jeder Ecke wartet eine Überraschung. Für den Rückweg bietet sich eine Durchquerung des Adlisberg-Walds an. Auf dieser Route lässt sich die kleine Rundwanderung von etwa zweieinhalb Stunden bei der Bahnstation über dem Dolder Grand von Norman Foster abschliessen. 

Heimatbuch Dübendorf 2021

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