Willkommen im Engadin

Susanna Koeberle
22. febbraio 2023
Das Schriftzeichen «Welcome» von Barbara Stauffacher Solomon beim Bahnhof St. Moritz (Foto: © fotoswiss by Giancarlo Cattaneo | Drohnenbild mit Genehmigung des Flughafens Samedan)

In den USA über Hoffnung zu diskutieren, sei wie über Bullshit zu reden, sagte Barbara «Bobbie» Stauffacher Solomon, auch ganz einfach «BSS» genannt, zu Beginn ihres Videogesprächs mit Hans Ulrich Obrist, Mitkurator der Engadin Art Talks (E.A.T.) und künstlerischer Direktor der Serpentine Galleries. Deswegen wolle sie lieber über Kunst im öffentlichen Raum sprechen. Die Frau, die mit so viel Schalk spricht, wurde 1928 (!) in San Francisco geboren und hat eine eindrückliche Biografie. Anlässlich der diesjährigen Ausgabe der E.A.T. mit dem Motto «Hoffnung» war BSS eingeladen, über ihre Arbeit «Welcome» zu sprechen, die im Dezember 2022 in St. Moritz eingeweiht worden war. Die sieben Buchstaben des Wortes sind in einem von BSS selbst entwickelten Alphabet gestaltet. 

Das vier Meter hohe und 29 Meter breite Schriftzeichen aus weiss lackiertem Stahl hängt an einer Stützwand bei der Strasse unterhalb des Bahnhofs und ist vom gefrorenen St. Moritzersee aus gut sichtbar. Autos fahren fast zu nahe daran vorbei, sodass die monumentale «Supergraphics»-Arbeit (mehr zu diesem Begriff gleich) der amerikanischen Designerin, Künstlerin und Architektin auch schnell übersehen werden kann. Nichtsdestotrotz ist dieser Ort – ein Unort eigentlich, um ehrlich zu sein – richtig für diese Arbeit. Das Kunstwerk im öffentlichen Raum soll nämlich nicht der gängigen Marketinglogik von in der Landschaft platzierten netten Skulpturen folgen, von denen man in der «Top of the World»-Destination schon genug gesehen hat, wie Elena Foster bemerkte. Mit der «Welcome»-Grafik der amerikanischen Designerin habe man ein starkes und neuartiges Wahrzeichen schaffen wollen, das auch Symbolcharakter haben solle, so Foster. Die Verlegerin und Kuratorin, die auch Stiftungsratspräsidentin der Serpentine Galleries ist, glaubt an die Kraft von Worten und war massgeblich an der Verwirklichung der Arbeit in St. Moritz beteiligt. Sie sprach vor dem ausgestrahlten Videointerview über den Werdegang dieser aussergewöhnlichen Frau und machte dabei auch deutlich, wie diese stets für ihre Freiheit habe kämpfen müssen.

Barbara Stauffacher Solomon im Dezember 2020 in ihrem Atelier in San Francisco (Foto: Chris Grunder)

BSS kam 1956 als junge Witwe und Mutter in die Schweiz, um an der Kunstgewerbeschule in Basel beim renommierten Grafikdesigner Armin Hofmann (1920–2020) zu studieren. Etwas übrigens, das sie mit Miklos und Margareta von Bartha, den beiden Gründern der Galerie von Bartha, gemeinsam hat. Diese vertritt die Künstlerin in der Schweiz. Als ausgebildete Tänzerin und Künstlerin war es BBS kaum möglich, mit dem Erlernten Geld zu verdienen, als alleinerziehende Mutter eines Kindes ging das schon gar nicht. Sie hoffte, als Grafikerin den Lebensunterhalt für sich und ihre Tochter bestreiten zu können. Von Armin Hofmann habe sie alles gelernt, sagte BSS im Gespräch mit Hans Ulrich Obrist. 1962 kehrte sie nach San Francisco zurück, gründete ein eigenes Grafikbüro und trug die Schweizer Typografie in die USA. 1968 erhielt sie vom Landschaftsarchitekten Lawrence Halprin den Auftrag, für die Gemeinde Sea Ranch ein Logo sowie das Branding zu kreieren. 

Diese Arbeit war der Beginn ihrer «Supergrahics», grossflächig angebrachter grafischer Elemente, die sie auch auf Wänden in Innenräumen einsetzte. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass sie damit einen neuen Stil erfand. Es ging ihr dabei nicht nur um eine ästhetische Qualität, denn BSS versteht Grafik als Choreografie, als Mittel, um Menschen durch Räume und Orte zu lenken, wie sie auch im Gespräch mit Obrist betonte. Später studierte BSS auch noch Architektur an der University of California in Berkeley und veröffentlichte 1988 ihre Abschlussarbeit «Green Architecture and the Agrarian Garden».

Von links nach rechts: Barbara Stauffacher Solomon, ihre Tochter Chloe, die Künstlerin Luchita Hurtado und deren Sohn Matt Mullican im März 1960 in St. Moritz (Foto: privat)

Wie aber kam die Gemeinde St. Moritz zu ihrem «Welcome»? Das ist einer ganzen Reihe von BSS-Fans zu verdanken, nicht zuletzt der Galerie von Bartha, die seit mehreren Jahren auch im Engadin aktiv ist. Anlässlich der Eröffnung zeigte eine kleine Ausstellung im Super Mountain Market weitere Arbeiten der Künstlerin sowie einen ersten Entwurf des «Welcome»-Schriftzeichens. Das Wort «Welcome» habe einfach besonders gut ausgesehen in ihrem Alphabet, so die fast 95-jährige Designerin, «that’s it». Wenn man Dinge bewusst anschaue, statt sie nur zu sehen, könne alles zu Kunst im öffentlichen Raum werden, findet sie. Insofern kommt das Medium Grafik bei BSS durchaus an Kunst heran. Ihre «Supergraphics» heben die starren Grenzen zwischen Innen- und Aussenraum auf. Dass die Arbeit in St. Moritz vorerst nur bis April stehen bleiben soll, ist ein Jammer. Denn ein «Welcome»-Zeichen beim Bahnhof zu haben, kann nie verkehrt sein. Erst recht nicht eines einer Künstlerin wie Barbara Stauffacher Solomon.

Das Schriftzeichen ist in Barbara Stauffacher Solomons eigenem Alphabet gestaltet. (Foto: © fotoswiss by Giancarlo Cattaneo | Drohnenbild mit Genehmigung des Flughafens Samedan)
Skizze von Barbara Stauffacher Solomon, 2021 (© mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin und der Galerie von Bartha)

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