Wunderkammer in der Ostschweiz

Juho Nyberg
6. maggio 2019
Ein beinahe undurchdringlicher Fundus an Bauteilen. Bild: Juho Nyberg

Zugegeben, das Haus in Zürich, an dessen Umgestaltung ich gerade arbeite, ist rund hundert Jahre alt – kein historischer Bau also. Dennoch erzählen die Türen und Oberflächen eine mittlerweile lange Geschichte, der die neuen Besitzer nun ein weiteres Kapitel hinzufügen wollen. Bei allen Umbauwünschen steht die Absicht, die alten Materialien weiter zu erhalten, als gleichwertiges Ziel im Vordergrund. Darum soll auch die Ankleide, die neu durch einen breiten Durchgang vom Schlafzimmer aus betreten wird, das gleiche Parkett als Boden bekommen. Bloss: Wo ist das Holz der amerikanischen Rot-Kiefer in ausreichender Menge zu finden? Man verarbeitete es dereinst zu Parkett, das in sehr vielen Häusern verlegt wurde. Der Verbrauch war derart hoch, dass Bodenbeläge aus der Holzart heutzutage nicht mehr zu finden sind.

Nach längeren ergebnislosen Recherchen im In- und Ausland fand sich eine unwahrscheinliche wie wundervolle Lösung: im Bauteillager der Denkmalstiftung Thurgau. Dort werden alle nur erdenklichen Bauteile gesammelt, gehortet und aufgefrischt, deren man habhaft werden kann. Sepp Kesseli und Urs Neuhauser führen das Bauteillager als Zweimannbetrieb. Sie legen bei allen Schritten selbst Hand an: Von der Demontage über die Aufarbeitung bis zur Sortierung sind sie beteiligt und kennen ihr Lager in- und auswendig. So entpuppt sich die Anfrage zum raren Parkett aus Rot-Kiefer als eine sehr einfache: Ja, ein wenig hätten sie noch an Lager, lassen die beiden mich wissen, und demnächst käme noch etwas mehr aus einem neu zu demontierenden Objekt hinzu.

Detailliert werden die Bauteile archiviert. Bild: Juho Nyberg
Parkett Buche-Nuss – natürlich Massivholz. Bild: Juho Nyberg

Beim Abholen des Parketts offenbarte sich bei einem kleinen Rundgang durch die zwei Scheunen in Schönenberg an der Thur die ganze Bandbreite der geretteten Bauteile: Von einem kompletten historischen Holzbau über Guss-Radiatoren, Lavabos und Badewannen mit den passenden, alten Armaturen bis hin zu Fenstern, Türen und Ziegeln steht ein unglaublich umfangreicher Schatz bereit und wartet darauf, genutzt zu werden.

Quasi als Beifang stehen in der Scheunen auch zahllose alte Möbelstücke und Leuchten herum, die ebenfalls zu kaufen sind. In der sonst dicht gepackten Ausstellung weisen einige Leerstellen auf fehlende Möbel hin. Tatsächlich: Sie sind für das Set eines Films ausgeliehen worden, der in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts spielt und natürlich möglichst authentisch ausgestattet werden soll.

Die Vielfalt der Interessierten scheint so breit zu sein wie das Angebot selbst, das stetig erweitert wird. Da die beiden Herren sehr viel Zeit auf das Bergen der Schätze verwenden, wird ein persönliches Treffen am besten telefonisch vereinbart.

Auch alte Möbel bieten Sepp Kesseli und Urs Neuhauser an. Bild: Juho Nyberg
Das Bauteillager ist eine wahre Schatzkammer. Bild: Juho Nyberg
Denkmal Stiftung Thurgau
Neukircherstrasse 1
9215 Schönenberg an der Thur
+41 71 642 74 70
[email protected]
www.denkmalstiftung-thurgau.ch

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