Der «Federballprofessor» Herianto Sulindro aka Kho Lin Hek – ein indonesischer Architekt in der Zürcher Planungsbehörde

Eduard Kögel
18. 11月 2022
Kho Lin Hek im Jahr 1957 (Foto © Privatarchiv Linda Lochmann)

Um 1960 erhielten etwa ein Dutzend indonesische Architekten in Westdeutschland ihr Diplom. Sie studierten in Stuttgart, Karlsruhe, Berlin, Hannover und in Aachen. Einer derjenigen, die in Berlin zum Diplom-Ingenieur ausgebildet wurden, war Herianto Sulindro aka Kho Lin Hek, der anschliessend dreissig Jahre im Zürcher Stadtplanungsamt arbeitete. Vom 12. Dezember dieses Jahres bis zum 12. Januar 2023 ist er Teil der in Jakarta gezeigten Ausstellung «Dipl.-Ing. Arsitek. German-trained Indonesian Architects From the 1960s». Am 15. Dezember wird Herianto Sulindro 94 Jahre alt. Wir gratulieren ihm mit diesem Beitrag bereits herzlich.

Dieser Entwurf einer Innenraumgestaltung entstand 1955 während Kho Lin Heks Studium in Bandung. Zu sehen ist das Innere einer Studentenwohnung. (Grundriss und Perspektive © Herianto Sulindro (Kho Lin Hek), Privatarchiv Linda Lochmann)

Herianto Sulindro wurde 1928, also während der Zeit der niederländischen Kolonialherrschaft, als Kho Lien Hek auf der Insel Java in eine chinesische Familie geboren und studierte Anfang der 1950er-Jahre nach der indonesischen Unabhängigkeit (1949) unter diesem Namen an der einzigen von den Niederländern gegründeten Hochschule in Bandung Architektur. Mit dem niederländischen Professor Vincent Rogers van Romondt (1903–1974) fuhren die Studenten auf eine Exkursion nach Yogyakarta und Bali, wo jeweils historische Bauten skizziert und vermessen wurden. Erste praktische Erfahrungen sammelte Kho bei Praktika in Büros in Jakarta.

Dieser Entwurf eines Kindergartens entstand in den Jahren 1955 und 1956 in Bandung. (Ansichten und Grundriss © Herianto Sulindro (Kho Lin Hek), Privatarchiv Linda Lochmann)
Ebenfalls aus Studienzeiten stammt dieser Entwurf für das Haus eines Zahnarztes in Bandung. (Perspektive © Herianto Sulindro (Kho Lin Hek), Privatarchiv Linda Lochmann)
Über die Niederlande nach Westdeutschland

Ende 1957 zog es Kho nach Europa, da die Ausbildung in Bandung keinen Städtebau umfasste und er dies als Argument anführte für weitere Studien. Dabei verlor sich das e in seinem Mittelnamen Lin. Er bewarb sich in Aachen und Stuttgart, bekam im November 1957 aber einen Studienplatz in Delft, wo er bei Johannes Hendrik van den Broek (1898–1978) studierte. Der Zeitpunkt seiner Ankunft in Delft war ungünstig, denn die diplomatischen Beziehungen zwischen der Kolonialmacht Niederlande, die immer noch Westneuguinea besetzt hielt, und der Republik Indonesien waren auf einem Tiefpunkt. Deshalb riet die indonesische Botschaft ihren Studenten, die Niederlande zu verlassen. Kho schloss sich offenbar schon bald einer nach Berlin abwandernden Studentengruppe an. Bereits Ende Januar 1958 war er dort an der Technischen Universität eingeschrieben. Während des Studiums fuhr er mit Herta Hammerbacher (1900–1985), in Berlin Professorin für Landschafts- und Gartengestaltung, mehrfach nach Westdeutschland, um die Bundesgartenschauen sowie neue Stadtplanungen in Dortmund und Köln zu besichtigen. Hammerbacher war übrigens die erste Professorin für Landschafts- und Gartengestaltung an der TU Berlin. Sie hatte 1957 selbst an der Bundesgartenschau in Köln mitgewirkt.

Zusammen mit Kommilitonen spielte Kho sehr erfolgreich Badminton in der Sportgruppe der Universität sowie im Verein Helios – in einem Zeitungsbericht nannte man ihn wegen seiner «unwahrscheinlichen Tricks» den «Federballprofessor».

Kho Lin Hek (ganz links mit Schal) im Kreise indonesischer Studenten im Internationalen Studentenheim in Eichkamp in Berlin (Foto © Privatarchiv Linda Lochmann)

In seiner Diplomarbeit bei Professor Kurt Dübbers befasste sich Kho Lin Hek mit einer zweizügigen Oberschule samt Internat in Indonesien. Das Konzept dafür ist an das Klima angepasst. Es sieht auf Stützen stehende Pavillons vor, die mit überdachten Gängen verbunden sind. Im Juli 1960 waren seine letzten Prüfungen abgeschlossen. Kho bewarb sich in verschiedenen Büros in ganz Westdeutschland um eine Anstellung. Der Architekt Adolf Böhringer in Hamburg stellt ihn ein. In dessen Büro betreute er in den folgenden zwei Jahren das Parkhotel Thordsen in Husum sowie einen Bürobau für den Gerling-Konzern in Hamburg.

Im Zuge seiner Diplomarbeit an der TU Berlin (1960) entwarf Kho Lin Hek eine Oberschule mit Internat in Indonesien. (Modellfoto © Herianto Sulindro (Kho Lin Hek), Archiv des Architekturmuseums der Technischen Universität Berlin, Inv. Nr. 67239)
Grundriss © Herianto Sulindro (Kho Lin Hek), Archiv des Architekturmuseums der Technischen Universität Berlin, Inv. Nr. 67246
Perspektive © Herianto Sulindro (Kho Lin Hek), Archiv des Architekturmuseums der Technischen Universität Berlin, Inv. Nr. 67246
Endlich städtebauliche Aufgaben

Im Juni 1962 wechselt er für ein Jahr in die Hamburger Baubehörde, die unter der Leitung von Werner Hebebrand (1899–1966) stand, der später nur lobende Worte für ihn fand. Hier konnte sich Kho endlich im grossen Stil mit städtebaulichen Fragen befassen. Er arbeitet an Entwürfen für Bebauungspläne für neue Siedlungszentren in Farmsen, Schnelsen und Rahlstedt mit jeweils 22000 bis 60000 Einwohnern – vom Dorfkern bis zum Stadtzentrum also. Für Neugraben Fischbek erarbeitet er einen Vorentwurf für eine neue Stadt mit 100000 Einwohnern. Dazu gestaltete er Wohnanlagen mit 500 bis 2000 Einheiten.

Wechsel in die Schweiz: Vom «Aushilfsarchitekten» zum festen Mitglied des Zürcher Bauamts

Bereits ab Ende 1962 bewarb sich Kho bei Schweizer Architekturbüros in Zürich, Zug und Solothurn sowie im Kanton Aargau. Im August 1963 klappt es dann mit einer neuen Stelle für ein Jahr als «Aushilfsarchitekt» im Zürcher Bauamt. Bis 1966 wurde der Arbeitsvertrag jährlich verlängert, bevor man Kho schliesslich unbefristet anstellte. Im Hochbaudepartement beschäftigte er sich Ende der 1960er-Jahre mit der Bevölkerungsentwicklung und ihren Auswirkungen auf die Struktur des Grossraums Zürich. Damals waren verschiedene Stadterweiterungen geplant, und Kho arbeitete im Zuge der Entwicklung eines neuen Zentrums für das Seefeld an der Nahverkehrsplanung mit. Ausserdem war er zum Beispiel an der Gestaltung des neuen Zentrums des Stadtteils Höngg beteiligt. Zusätzlich befasste sich Kho mit Aspekten der Umwelt und der Freiraumplanung.

Entwurf eines Wohnhauses in Jakarta aus dem Jahr 1964 (Perspektive © Herianto Sulindro (Kho Lin Hek), Privatarchiv Linda Lochmann)

Der Kontakt in seine Heimat Indonesien blieb bestehen: 1964 plante Kho in Jakarta ein zweigeschossiges Einfamilienhaus. 1967 heiratete er standesamtlich in Jakarta und drei Monate später in der katholischen Kirche von Zürich-Albisrieden. Erst 1968, als er bereits einige Jahre in der Schweiz lebte, änderte er seinen chinesischen in den indonesisch klingenden Namen Herianto Sulindro. Hintergrund war die Verfolgung der ethnischen Minderheit der Chinesen in Indonesien, die sich nach der Machtübernahme durch Diktator Haji Mohamed Suharto Mitte der 1960er-Jahre verschärfte. Die Chinesen wurden nachdrücklich zur Assimilation gedrängt und «ermutigt», indonesisch klingende Namen anzunehmen. Um 1969 lotete Kho beziehungsweise Sulindro, der in diesem Jahr die Namen wechselweise benutzte, die Möglichkeit einer Emigration in die Vereinigten Staaten aus, blieb dann aber doch in Zürich. In seiner Stellung im Planungsamt wurde er in den 1980er-Jahren zum Adjunkten befördert.

Von Mitte der 1970er-Jahre bis in die 1980er-Jahre hinein entwarf Herianto Sulindro Appartementhäuser in Locarno. (Ansichten © Heriantro Sulindro (Kho Lin Hek), Privatarchiv Linda Lochmann)
Entwurf zweier Appartementhäuser (Casa A und Casa B) in Locarno aus dem Jahr 1981 (Grundriss © Heriantro Sulindro (Kho Lin Hek), Privatarchiv Linda Lochmann)
Die Casa B in Locarno (Schnitte © Heriantro Sulindro (Kho Lin Hek), Privatarchiv Linda Lochmann)
Unbekannte Projekte: Herianto Sulindros Wohnbauten im Tessin

In den 1970er- und 1980er-Jahren plante er neben der Tätigkeit im Amt für Freunde Appartementhäuser in Lufingen, Locarno und Ascona. So zum Beispiel 1974 ein Mehrfamilienhaus in Locarno, das durch seine Tonnendächer einen sehr eigenen Charakter erhalten sollte. Ein weiteres Projekt für zwei Appartementhäuser in Locarno, an dem er von Mitte der 1970er- bis Mitte der 1980er-Jahre plante, konnte verwirklicht werden. Die zweigeschossigen Bauten mit einem zusätzlichen Penthouse liegen am Hang und haben auf jeder Etage eine bis drei Wohneinheiten. Die Geometrie beider Bauten orientiert sich nach Norden zur Strasse und verdreht sich nach Süden zur Sonne. Einige Wohnungen haben einen offenen Kamin im Wohnzimmer, und jede Einheit ist mit einem grossen Balkon ausgestattet. Sulindro hat in der Schweiz weitere Bauten geplant, die jedoch im Moment nur fragmentarisch dokumentierbar sind.

Seine architektonische Haltung war an der Nachkriegsmoderne im deutschsprachigen Raum geschult. Seine Arbeit am Grundriss der Wohngebäude bestimmte deren Form. Herianto Sulindro blieb immer indonesischer Staatsbürger. Er kehrte 2017 in seine Heimat zurück, wo er heute nahe bei seinem Geburtsort in einem Altenheim lebt. [1]


 

[1] Die Darstellung der fachlichen Karriere von Herianto Sulindro war nur möglich, weil seine Tochter Linda Lochmann uns grosszügigerweise Einblicke in das private Archiv gewährte und erlaubte, die Unterlagen zu dokumentieren.

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