Siedlung «Im Grund»: Nachverdichtung statt Abrissbirne

Züst Gübeli Gambetti
5. 8月 2021
Blick von einem Balkon über den neuen Gemeinschaftshof, der das einstige Abstandsgrün ersetzt. (Foto: Roger Frei)
Die Siedlung aus den 1980er-Jahren vor der Sanierung (Foto: Züst Gübeli Gambetti)
Zwei Teilersatzbauten sowie punktuelle Eingriffe ergänzen Fehlendes und sorgen für neue Wohnqualität. (Foto: Roger Frei)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Es ist eine Nachverdichtung, die ohne Tabula-rasa-Aktion auskommt. Vielmehr hat die Siedlung mittels punktueller Massnahmen eine Transformation und Umdeutung erfahren. Unsere Interventionen ergänzen, was bis dato fehlte – zum Beispiel bestimmte Wohnformen oder Barrierefreiheit. Aber wir haben auch Eingriffe vorgenommen, die heutige Wohnbedürfnisse unterstützen und zu einem zeitgemässen Erscheinungsbild beitragen. 

Mit den beiden Teilersatzbauten an den Enden erhält die Siedlung einen neuen Rahmen. Ebenso wurde an den Bestandsbauten die zuvor bestehende Hierarchie zwischen Vorder- und Rückseite aufgeweicht und zugunsten eines Gemeinschaftshofs umgedeutet. Die Bestandszeilen bringen dabei einen spürbaren Mehrwert; denn obwohl sie sich bestens integrieren, erzählen sie ihre Geschichte. Ihre Qualitäten kommen wieder zum Tragen – und im Zusammenspiel entsteht im besten Sinne eine vielschichtige Vielfalt.

In den sanierten Küchen dienen Kastenfenster als Sitzgelegenheit, die Küchenzeilen wurden in den Essraum erweitert. (Foto: Roger Frei)
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?


Der Bestand selbst – der in gewisser Weise abschreckend und inspirierend zugleich wirkte! Am Anfang stand die Frage, wie sich mehr Qualität in die Wohnanlage bringen lässt und wo Potenziale schlummern, die aktiviert oder freigelegt werden können. Es war ein bisschen so, als ob man mit einer Feile ansetzt und die Bauten mittels kleiner Gesten neu modelliert und fein schärft: Unter anderem haben wir etwa grosse Kastenfenster eingebaut, die die einstige Rückfassade zur Front deklarieren und zugleich als Sitzgelegenheiten in den Küchen dienen. Ausserdem haben wir die 45-Grad-Brüstungswinkel rückgebaut, was vergrösserte Fenster ermöglichte.

Subtiler Feinschliff an den Fassaden der Bestandsbauten – Fenster und Balkone wurden vergrössert, wobei letztere nun genug Platz für ein gemütliches Frühstück bieten. (Foto: Roger Frei)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?


Sehr! Dem Projekt liegt der fruchtbare Prozess einer gemeinschaftlichen Projektentwicklung zugrunde. Roman Specogna ist nicht nur Eigentümer und Investor der Siedlung, sondern auch ein kompetenter Bauherr, der darüber hinaus eine umfassende Sichtweise in Baumanagement und Vermarktung mit einbringt. Er kennt die Siedlungsbewohner und auch den Markt. Durch seine verschiedenen Rollen und «Hüte» bot er uns während des gesamten Entwurfsprozesses einen versierten Spiegel und Partner.

Auch die Mietwohnungen in den Ersatzneubauten zeugen von grosser Liebe zum Detail und Interesse an Wohnkultur. (Foto: Roger Frei)
Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten des Büros ein?


Es ist unser erster Teilersatzneubau – bisher umfasste unser Spektrum Sanierungen oder Tabula-rasa-Lösungen. Die Beschäftigung mit Wohnfragen und die städtebauliche Einbettung von Alt und Neu gehören aber sicher zu unseren Kernthemen.

Es kann ein Gewinn sein, wenn nicht nur das Umfeld, sondern der Bestand selbst zum Kontext wird: Wie hat man vor 40 Jahren gewohnt und gelebt, mit welchen Vorstellungen schaut man heute in die Zukunft? Die kammerartigen Grundrisse boten viel Potenzial, wir haben lediglich Eingriffe an den Fassaden und bezüglich der Raumbeziehungen vorgenommen; etwa durch den Einsatz von Flügeltüren oder in den Essraum verlängerten Küchenzeilen. Grundsätzlich wurden Alt und Neu über Städtebau und Architektur vielschichtig miteinander verknüpft.

Im Ersatzneubau wirkt ein Atrium mit heiteren Farben und Durchblicken in die Wohnungen als kommunikatives Bindeglied. (Foto: Roger Frei)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?


Am ehesten vielleicht soziale Zukunftsfähigkeit: Wichtige Fragen waren, wie sich die Gemeinschaft in der Siedlung stärken lässt und der sozialen Vereinsamung entgegengewirkt werden kann. Unsere Antwort waren zum Beispiel Typologien, die das Wohnangebot ergänzen und den Zuzug neuer Bewohner begünstigen. In den Neubauten gibt es ein zentrales Atrium mit kommunikationsfördernden Erschliessungsringen; in den Erdgeschossen liegen jeweils ein Gemeinschaftsraum mit Küche oder Gewerberaum. Und durch die städtebauliche Umdeutung des einstigen Abstandsgrüns ist ein zentraler Hof mit Gemeinschaftsflächen und Pflanzgärten entstanden.

An den Siedlungsenden setzen zwei Neubauten je einen Punkt. Sie ergänzen das Wohnangebot. (Foto: Roger Frei)
Schwarzplan
Grundriss Erdgeschoss
Grundriss Obergeschoss
Bauwerk
Siedlung «Im Grund»
 
Standort
Im Grund 5–21, 8424 Embrach
 
Nutzung
Sanierung: 44 Mietwohnungen 
Teilersatz: Zwei Atrien-Häuser mit 49 Mietwohnungen, Gemeinschaftsräumen bzw. Gewerberaum
 
Auftragsart
Machbarkeitsstudien, Projektentwicklung, Sanierung und Teilersatz
 
Bauherrschaft 
SI Specogna Immobilien AG, Kloten
 
Architektur 
Züst Gübeli Gambetti Architektur und Städtebau AG, Zürich 
Roman Züst, Anton Baumann, Martha Devesa, Eva Kiseljak, Snezana Gavrolivic, Kristijan Lozic, Radunski, Stefanie Fuchs, Stephanie Wessels und Paolo Gaberthüel
 
Fachplaner
Baumanagement: SI Specogna Immobilien AG, Kloten 
Landschaft: Hager + Partner AG, Zürich 
Statik: Eichenberger AG, Zürich
HLKS: Frei+Partner GmbH 
Elektro: PBP AG Engeneering, Zürich 
Bauphysik: EK Energiekonzepte AG, Zürich 
Brandschutz: ProteQ GmbH, Schaffhausen
 
Fertigstellung
Sanierung: 2019 
Teilersatz: 2020
 
Gebäudevolumen
Teilersatz: 18572 m3
 
Energiestandard
Teilersatz: Minergie-P-Eco
 
Fotos 
Roger Frei, Zürich 

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