Die Bibliothek im Umbruch

Schröer Sell Architekten
22. september 2022
Blick in das neu gestaltete und bereinigte Foyer und Treppenhaus mit Lounge (Foto: Mark Niedermann)
Herr Sell, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Die UB Basel ist als Universitäts- und Kantonsbibliothek nicht nur Gedächtnisinstitution und Wissensspeicher, sondern dient auch als zentraler Lern- und Begegnungsort. Das Hauptaugenmerk unserer Interventionen lag darauf, dem erhöhten Platzbedarf zu begegnen, aber auch die Lernbedürfnisse der Zukunft zu ermitteln. Die 437 neuen Lernplätze sind als «Laboratorium» bewusst unterschiedlich gestaltet. So steht nun ein bunter Mix aus verschiedenen Einzel- und Gruppenarbeitsplätzen an langen oder runden Tischen, in Lounges oder abgetrennten Kabinen sowie in versteckten Nischen zur Verfügung. Die Eingriffe wurden innerhalb des bestehenden Gebäudes bei laufendem Betrieb minimalinvasiv durchgeführt und betreffen alle Bereiche der Universitätsbibliothek.

Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?


Wir durften 2014 für die Universität Basel eine ehemalige Kirche in der Stadt zum selbstverwalteten Studierendenhaus mit Lern- und Seminarräumen, Ruhe- und Gebetszonen sowie einer Küche umbauen. Die zentrale Fragestellung, wie zukünftig gelernt wird, hat uns dann bei allen weiteren Lernraumprojekten auf dem Campus am Petersplatz begleitet.

Ansicht der UB Basel mit dem Haupteingang an der Schönbeinstrasse (Foto: Mark Niedermann)
Die Holzlamellen der Decken im Hauptbau inspirierten das Team von Schröer Sell Architekten bei der Gestaltung der Raumteiler im Lernzentrum im 1. Obergeschoss. (Foto: Andi Cortellini)
Neu geschaffene Einzelarbeitsplätze in Form von Cubicals im Lesesaal (Foto: Andi Cortellini)
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?


Das Gebäude wurde zwischen 1962 und 1968 von Otto H. Senn errichtet und zählt zu seinen wichtigsten Bauten. Vom Bestandsbau aus dem Jahr 1896 wurde damals nur das Magazin erhalten und in den Neubau integriert. Wir haben grossen Respekt vor dem Werk, und zudem sind beide Gebäude inventarisiert.

Beim jetzigen Umbau orientierten wir uns an den jeweiligen Stilen der beiden ineinander übergehenden Gebäude: Im Altbau richten sich die Interventionen mit den Schreibablagen aus massiver Eiche, den Ohrensesseln, den gewebten Teppichen und den Metalllampen nach der Epoche des ausgehenden 20. Jahrhunderts. Hingegen wurden im moderneren Senn-Bau die kubischen Formen, das für die 1960er-Jahre typische Ulmenfurnier, die Holzlamellen der Decke und die Leinenstoffe neu interpretiert und eingesetzt. Erfreulicherweise konnten viele der ursprünglichen Möbel, die auf dem Dachboden entdeckt worden waren, saniert und wiederverwendet werden.

Durch die Einführung eines digitalen Ausleihsystems konnten die Pulte zur Lernbar umgenutzt werden. (Foto: Andi Cortellini)
In der Besprechungsbox können kleine Gruppen ungestört lernen. (Foto: Andi Cortellini)
Dinermöbel im 3. Obergeschoss (Foto: Andi Cortellini)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?


Sowohl die Bedarfsermittlung als auch der Entwurf fanden in enger Abstimmung mit der Universität, dem Hochbauamt, aber auch mit den Mitarbeitern der UB und natürlich mit den Studierenden statt. Bei Umfragen und in diversen Workshops kristallisierte sich heraus, dass es nicht die eine Antwort auf die Gestaltung neuer Lernräume gibt. Deshalb haben wir dann gemeinsam entschieden, mit dem Laboratorium sehr unterschiedliche Lernsituationen auszuprobieren und zu evaluieren. In etwa zehn Jahren ist eine Gesamtsanierung des Gebäudes geplant, und die Erkenntnisse aus diesem Laboratorium sollen dann in die neue Konzeption einfliessen.

Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?


Primäres Ziel war es, möglichst viele zusätzliche Lernplätze in den bestehenden Strukturen zu schaffen. Dementsprechend wurden in mehreren Teilprojekten diverse Vorschläge für das gesamte Gebäude gesammelt. Wir waren dann allerdings sehr überrascht und natürlich erfreut, dass alle vorgeschlagenen Interventionen zur Realisierung freigegeben wurden.

Ein wichtiger Meilenstein war die Implementierung eines neuen Brandschutzkonzeptes, ohne welches wir das wichtige zentrale Treppenhaus überhaupt nicht hätten bespielen können. Durch die Umrüstung zweier Nebentreppenhäuser zu Fluchtwegen konnte dies ermöglicht werden.

Leseecke im Freihandmagazin (Foto: Mark Niedermann)
Lounge im 1. Obergeschoss des Freihandmagazins (Foto: Mark Niedermann)
Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten Ihres Büros ein?


Unser Team beschäftigt sich primär mit dem Bauen im Bestand. Bei unserer Arbeit interessiert uns, vorgefundene Strukturen zu analysieren, ihre Qualitäten herauszuarbeiten und die Gebäude dann mit gezielten Interventionen fit für den nächsten Lebenszyklus zu machen; dies auch im Sinne einer kulturellen und materiellen Kontinuität. Für die Universität Basel durften wir bereits ähnlich geartete Projekte auf dem Campus Petersplatz umsetzen.

Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?


Grundsätzlich konnten wir mit diesem, aber auch mit anderen Universitätsprojekten aufzeigen, dass die bestehenden Gebäudestrukturen bestens für neue Lernformen adaptiert werden können, Ersatzneubauten also überhaupt nicht zwingend notwendig sind. Insofern ist der bestehende Gebäudepark im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung von grosser Bedeutung. Bei den baulichen Massnahmen wurde Wert darauf gelegt, dass diese auch im Hinblick auf eine anstehende Generalsanierung Bestand haben. 

Einzelbox im Zeitschriftenmagazin (Foto: Mark Niedermann)
Gruppenarbeitsplatz im Zeitschrifenmagazin (Foto: Mark Niedermann)
Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?


Da sich alle neuen Eingriffe der bestehenden Architektur – ob Altbau oder Senn-Bau – unterordnen, wirken die Interventionen sehr selbstverständlich, so meine ich. Gerade das Weiterführen der bestehenden Materialien führt zu einer Beruhigung, die das Baudenkmal nicht konkurrenziert, sondern dessen Qualitäten hervorhebt

Grundriss 1. Untergeschoss
Grundriss Erdgeschoss
Grundriss 1. Obergeschoss
Grundriss 2. Obergeschoss
Grundriss 3. Obergeschoss
Grundriss 4. Obergeschoss
Bauwerk
Universitätsbibliothek Basel                    
 
Standort
Schönbeinstrasse 18–20, 4056 Basel
 
Nutzung
Universitäts- und Kantonsbibliothek
 
Auftragsart
Studienwettbewerb für Umbau
 
Bauherrschaft
Universität Basel vertreten durch das Baudepartement Basel-Stadt
 
Architektur
Schröer Sell Architekten, Basel
 
Fachplaner
Tragwerksplaner: ZPF Ingenieure, Basel
HLKS-Planung: tms Planungsbüro, Münchenstein
Elektroplaner: Actemium Schweiz AG, Basel
Sanitärplaner: Festa Engineering GmbH, Basel
Brandschutzplaner: safetyfocus GmbH, Pratteln
Akustikplaner: Gartenmann Engineering AG, Basel
Signaletik: Stutz Grafik + Design, Basel
 
Bauleitung 
Moosmann Bitterli Architekten, Basel
 
Jahr der Fertigstellung
2021
 
Gesamtkosten BKP 1–9
CHF 5,1 Mio. exkl. Mehrwertsteuer
 
Massgeblich beteiligte Unternehmer 
Stahlbau, Betonbau und Mauerwerk: Jean Cron AG, Basel
Fensterverglasung und Fensterprofile: Mevo-Fenster AG, Reinach
 
Fotos
Mark Niedermann und Andi Cortellini, beide Basel

Uitgelicht project

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