Vertraut neu

Marazzi Reinhardt
3. 十二月 2020
Hofsituation vor dem Ausstellungsraum (Foto: Ladina Bischof)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Die Bauherrschaft besteht aus zwei eigenständigen Stiftungen mit unterschiedlichen Programmen beziehungsweise Zielen: Die Buchmann-Kollbrunner Stiftung engagiert sich für Personen mit Beeinträchtigung und wollte eine integrative KiTa errichten. Die Stiftung Sulzberg dagegen ist im Kulturbereich tätig und benötigte für Ausstellungen, Anlässe und als Arbeitsraum für Künstler*innen einen multifunktional nutzbaren Raum. Trotz der unterschiedlichen Ausrichtung haben sich die beiden Stiftungen entschieden, gemeinsam einen Wettbewerb zu veranstalten, um ihre räumlichen und stiftungsgebundenen Ansprüche zu erfüllen. Dies geschah im Bewusstsein um die Sensibilität des Ortes. Diese Haltung ist nicht selbstverständlich und forderte von uns Architekten das gleiche Verantwortungsbewusstsein im Hinblick auf die Aufgabenstellung.

Der Neubau steht an der Stelle des ursprünglichen Waschhauses auf zwei Parzellen und ist auf der Grenze zusammengebaut.

Hofsituation vor der KiTa (Foto: Ladina Bischof)
Garten der KiTa (Foto: Ladina Bischof)
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?


Einmal mehr zogen wir die Energie aus den Rahmenbedingungen: Der Park und die stattlichen Villen erforderten eine sensible, aber nicht unterwürfige Gestaltung des Neubaus im Zentrum der Anlage. Das Budget war bescheiden und zwang uns, bei der Materialwahl und der Ausstattung klare Prioritäten zu setzen. Diese Kombination führte zu präzisen Entscheiden sowohl betreffend Setzung und Dimensionierung des Gebäudes als auch hinsichtlich Konstruktion und Materialität.

Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?


Wie angedeutet, steht der Neubau in einem Villenpark, welcher sich im Grüngürtel am Rande der Altstadt von Winterthur befindet. Der Ort ist geprägt durch die stattlichen Bauten des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Schnell war klar, dass sich das neue Gebäude dem Bestand bezüglich der Repräsentation unterzuordnen hat, was angesichts des relativ grossen Raumprogramms aber nicht einfach war. Entscheidend ist die Volumetrie und Setzung des Gebäudekörpers: Der kreuzförmige Grundriss schafft unterschiedliche Hofsituationen und sorgt dafür, dass der Bau nie in seiner Gesamtheit erfassbar ist. Das verbindende Element ist das umlaufende Betonband, das den Bau architektonisch zusammenhält. Auf einen Sockel wurde verzichtet, das Gebäude entwächst dem Boden. Zusammen mit der bescheidenen Materialität verweist der «Sprössling» auf Nebenbauten, wie sie in diesem Kontext vertraut sind. Trotz aller Zurückhaltung verfügt er über einen eigenen Charakter und bildet ein selbstbewusstes Gegenüber zum Bestand.

Fassadendetail (Foto: Ladina Bischof)
Eingang zum Ausstellungsraum (Foto: Ladina Bischof)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?


Von Beginn an war klar, dass die engen Budgetvorgaben unbedingt eingehalten werden müssen. Der Mietvertrag mit den Nutzern war bereits unterschrieben, und die Stiftungen mussten gegenüber ihren Aufsichtsgremien Rechenschaft ablegen. Durch den frühen Einbezug der Nutzer, die ökonomischen Vorgaben und – natürlich – die architektonischen Herausforderungen waren die Rahmenbedingungen für uns eigentlich schon im Wettbewerb klar. Die Beteiligten haben sehr früh die Pflöcke eingeschlagen, an welchen wir uns orientieren mussten und konnten. Dies gab uns in späteren Projektphasen argumentative Freiheiten, da alle Entscheide an den gemachten Vorgaben gespiegelt werden mussten, auch von Bauherrenseite.

Garderobe mit Blick Richtung Gruppenraum (Foto: Ladina Bischof)
Gruppenraum im Erdgeschoss (Foto: Ladina Bischof)
Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?


Nein, bereits im Wettbewerbsprojekt waren alle wesentlichen Elemente vorhanden, welche nun den fertigen Bau prägen: Setzung, Volumetrie und Materialisierung sind praktisch unverändert. 

Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten des Büros ein?


Sicherlich ist auch beim «Sprössling» unsere Interesse am Material – an dessen Charakter – spürbar. Damit aus einfachem Material ein stimmiges Ganzes entsteht, bedarf es der sorgfältigen Planung und Verarbeitung. Die Veredelung entsteht durch Handwerk und Geist.

Nebenraum im Erdgeschoss (Foto: Ladina Bischof)
Gruppenraum im Obergeschoss (Foto: Ladina Bischof)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?


Das Gebäude hat sich in erster Linie in die Situation einzufügen, sich in dieser zu behaupten und die räumlichen Ansprüche zu erfüllen. Dies bietet gepaart mit einem straffen Budget nicht mehr viel Spielraum für Tendenziöses.

Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?


Am meisten werden wir auf den Zementstein angesprochen, der hier in Sicht vermauert ist. Das erstaunt ein wenig, ist dieser Baustoff doch schon lange auf dem Markt und wurde vor allem von Tessiner Architekt*innen zuhauf eingesetzt. Aber vielleicht ist es der Stein in diesem Kontext, der den Leute auffällt. Insofern ist der Zementstein so etwas wie das Gesicht, oder vielleicht besser, der Anfangs- und Anknüpfungspunkt bei Gesprächen.

Treppe (Foto: Ladina Bischof)
Strukturmodell der Wettbewerbsabgabe (Foto: Marazzi Reinhardt)
Situation
Grundriss Erdgeschoss
Grundriss Obergeschoss
Querschnitt
Längsschnitt
Bauwerk
Sprössling
 
Standort
Sträulistrasse 6 und Museumstrasse 60, 8400 Winterthur
 
Nutzung
Kindertagesstätte, Ausstellungsraum
 
Auftragsart
Wettbewerb
 
Bauherrschaft
Buchmann-Kollbrunner Stiftung und Stiftung Sulzberg, beide Winterthur
 
Architektur
Marazzi Reinhardt, Winterthur
Projektleitung: Andreas Reinhardt
Mitarbeit und Bauleitung: Daniel Gautschi
 
Fachplaner
Landschaftsarchitektur: Atelier Oriri, Kehrsiten
Bauingenieur: Oberli Ingenieurbüro, Winterthur
Holzbauingenieur: Holzbaubüro, Winterthur
Elektro: Scherler Beratende Ingenieure, Winterthur
HLS: Russo Haustechnik, Winterthur
Bauphysik: BWS Bauphysik, Winterthur
 
Bauleitung 
Marazzi Reinhardt
 
Jahr der Fertigstellung
2020
 
Gesamtkosten BKP 1–9 
CHF 2,8 Mio.
 
Gebäudekosten BKP 2 
CHF 2,4 Mio.
 
Gebäudevolumen 
2000 m3 (gemäss SIA 416)
 
Kubikmeterpreis BKP 2 
1200 CHF/m3
 
Kunst am Bau
Um subtil auf die beiden Grundstücke zu verweisen, hat der Künstler und Bildhauer Georg Frehner einen Licht-Stein an der Parzellengrenze platziert. Dieser weist auf die unterschiedlichen Nutzer hin und schafft zugleich eine Verbindung.
 
Auszeichnung 
Architekturpreis Winterthur 2020
 
Fotos
Ladina Bischof

精选项目

atelier a und b ag

Martiweg

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