Liegenschaft im PV-Panzer

Manuel Pestalozzi
23. Mai 2016
Bilder: Manuel Pestalozzi

Hingewiesen auf diese Verwandlung in Zürichs Stadtkreis 6 hat den Redaktor sein Kollege Roderick Hönig von der Zeitschrift Hochparterre. Stadtbeobachter stutzen: In der Tat ist es selten und gewöhnungsbedürftig, dass innerhalb von städtischen Wohngebieten die Photovoltaik (PV) derart eklatant in Erscheinung tritt. In diesem Fall muss die Stadt ihren Segen zu dieser Massnahme gegeben haben. Die Fassade ist somit in der Lage, Strom zu produzieren.
 
Faszinierend ist bei diesem Beispiel, dass die Liegenschaft, die aus dem früheren 20. Jahrhundert stammen muss, eine Hälfte von zwei identischen, aneinandergebauten Häusern ist – man kann also die Zustände vorher-nachher direkt vergleichen. Der stromproduzierende Teil besitzt noch immer sein Mansardendach und den vorkragenden mehrgeschossigen Erker. Die an den Strassenraum grenzende Ostfassade wurde fachgerecht «verkachelt» und verkabelt. Alles wirkt sorgfältig detailliert, der Übergang zu den Putzflächen des Eingangsgeschosses und der Nordfassade scheint gut gelöst.
 
Gebäudetechnik-affine Fachleute und Firmen drängen seit einiger Zeit darauf, die Fassade vermehrt zur Stromnutzung einzusetzen und aus dem Haus nicht nur ein Raumbehältnis sondern auch ein Kraftwerk zu machen. Schliesslich werden die PV-Module immer kostengünstiger, ja eigentlich sind sie nicht mehr teurer als Verkleidungsbleche. Weshalb also sollte man sich dieser Chance, Strom zu produzieren, verwehren? Natürlich gibt es Kreise, welche sich aus ästhetischen Gründen gegen entsprechende Aktionen stammen, die NZZ hat dieser Problematik kürzlich einen Artikel gewidmet.
 
Einige kritische Gedanken kommen aber auch unvoreingenommenen Zeitgenossen. So gibt es noch keine wirklich mitreissende Idee darüber, was mit dem gewonnenen Strom geschehen soll. Bekanntlich wird er derzeit meistens ins Netz eingespeist, nicht selten zu einem garantierten Preis, der weit über dem internationalen Marktpreis liegt (Stichwort Kostendeckende Einspeisevergütung KEV). Solche Häuser generieren «Strom in der Gegenrichtung», und die Netzbetreiber müssen entscheiden: Wohin damit? Diese Frage ist komplex und scheint noch nicht abschliessend beantwortet zu sein. Bleibt die Variante Eigenverbrauch, beispielsweise für die Batterien von Elektromobilen. Sie steckt noch in den Kinderschuhen.
 
Wie bei allen tollen Ideen in Sachen Energie, sollte man sich auch überlegen, ob diese wirklich massentauglich sind. Kann man ganze Strassenzüge mit PV-Modulen zukacheln? Würde dies nicht bedeuten, dass einfallendes Sonnenlicht kaum mehr reflektiert sondern weitgehend absorbiert wird? Hätte dies Folgen auf das Lichtniveau der Umgebung und das Gedeihen von Pflanzen? In diesem Sinne ist es gut, wenn man mal ein Gebäude als «Exot» vor sich sieht und auf sich wirken lässt. Hoffentlich lassen die Initianten und Autorinnen des Projektes mal von sich hören.

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