«Plötzlich gab es Kinderzimmer»

Inge Beckel
18. April 2017
Bild: funvit.com

Denn damals wurde die Familie komplett neu definiert, wie Niederhauser in einem Gespräch in der Zeitschrift Wohnen extra vor einiger Zeit sagte, und die Kindheit als eigene Lebensphase anerkannt. Als jüngere Veränderung sieht sie die offenen Wohnküchen, die als Antwort auf die sich verändernden Geschlechterrollen interpretiert werden können: «Das Kochen wird in den Wohnalltag integriert und funktioniert auch als soziale Kommunikation.»1 Doch dürfe man nicht vergessen, dass die Küche zu allen Zeiten ein wichtiger Ort gewesen sei – dies allerdings vor allem bei den unteren Schichten.

Was es heute und in Zukunft wohl vermehrt brauche, so Rebecca Niederhauser, sind Vielfalt und Flexibilität in den Wohnungsgrundrissen. Dabei erstaunt sie, wie unflexibel meist noch immer gebaut wird. Denken wir beispielsweise an die modernen, repräsentativen Grundrisse mit den grossen Wohn-Ess-Bereichen, die oft gegen die Hälfte der gesamten Wohnungsflächen konsumieren, dabei aber wenig Raum für individuelle Tätigkeiten und Bedürfnisse der verschiedenen Familien- oder WG-Mitglieder ausserhalb dieses zentralen Raums lassen. Eine Erkenntnis übrigens, die auch am diesjährigen Forum Wohnungsbau der ETHZ geäussert wurde. Demgegenüber bieten mehrere, ähnliche grosse Zimmer mehr Möglichkeiten, dass Bewohnerinnen und Bewohner zuhause gleichzeitig unterschiedlichen Interessen nachgehen können und sich dabei, etwa akustisch, nicht oder kaum stören. Es sind dies Grundrisse, wie sie mitunter um 1900 zahlreich gebaut worden waren.

Niederhauser plädiert dafür, dass Planer und Architektinnen vermehrt vermeintlich Undenkbares (an-) denken sollen – wie dies im Umfeld der Genossenschaften parziell geschieht. Die Geschichte habe mehrfach gezeigt, dass aus Konzepten, die am Anfang nicht ganz ernst genommen wurden, sich später die eine oder andere Idee sehr wohl realisieren liess.



Interview von Daniel Krucker, in: Wohnen extra, Dezember 2016, S. 12/13.

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