Rundes und Gerades

Thomas Geuder
11. Februar 2014
Der «Silver Tower» befindet sich im Bahnhofsviertel von Frankfurt/Main und war dort lange Zeit das höchste Hochhaus. (Foto: Kirsten Bucher)

Mit seiner matt glänzenden Aluminiumfassade aus konvexen Blechen und teilweise gebogenen Glasscheiben ist er als typisches Kind seiner Zeit und bis 1990 sogar als höchstes Gebäude Deutschlands in die Baugeschichte eingegangen. Erbaut 1978 bildet der «Silberturm» – heute gerne «Silver Tower» genannt, von den Menschen liebevoll «Silberling» getauft – eine Phase in der deutschen Geschichte ab, in der wirtschaftlicher Wohlstand und die handwerkliche Kunst am Bau stimmig und fruchtbar aufeinander trafen. Freilich, diese Zeiten sind längst vergessen, und so blicken wir heute mit ein wenig Wehmut auf ein Gebäude, bei dem es den Architekten Apel+Beckert+Becker (ABB) gelang, die Architektur als selbstbewusste Ausdrucksform einer sich neu definierenden Gesellschaft zu manifestieren. Ein solches Monument deutscher Architekturgeschichte zu revitalisieren, war im Jahr 2008 die Aufgabe des renommierten Architekturbüros schneider+schumacher, ebenfalls aus Frankfurt. Ihre Aufgabe: Das Gebäude so behutsam wie möglich für die Zukunft fit zu machen und den prägnanten Charakter zu erhalten. So wurde etwa die komplette Fassadenverkleidung sorgsam entfernt, energetisch aufbereitet und wieder angebracht, wodurch der CO2-Ausstross und Energieverbrauch um rund ein Drittel gesenkt werden konnten. Im Inneren des Hauses fanden brandschutzrelevante bauliche Änderungen statt, die Räume in den Bürogeschossen wurden neu aufgeteilt und die technischen Anlagen auf den neuesten Stand gebracht. Das ehemalige Wasserreservoir, das im 31. Stockwerk ursprünglich aus feuerschutzrechtlichen Gründen eingeplant werden musste und als Schwimmbad genutzt wurde, wurde nun zu einem grossen Konferenzraum mit raumhohen Fenstern umgebaut.

Das Foyer wird von 45 Leuchten «Donut» beleuchtet, die 19.600 lm erzeugen und dabei nur 385 W brauchen. (Foto: Werner Huthmacher / Artemide)

Die Architektur des Silberturms ist formal geprägt von vornehmlich zwei Elementen: Der geraden Linie (meist als Schattenfuge sowohl aussen als auch innen) sowie der allgegenwärtigen runde Ecke. Beide wirken aufeinander, treffen sich immer wieder und erzeugen so ein Spannungsfeld, in dem es zunächst schwer gewesen sein dürfte, zusätzliche Formen zu integrieren. Gemeinsam mit Artemide entwickelten die Architekten zwei Leuchten, die sich darin jedoch formal sehr gut zurechtfinden und diese architektonische Eigenheit des Gebäudes sogar noch unterstreichen. Im Foyer, in dem auch der Empfangstresen von schneider+schumacher entworfen wurde, pendeln an der Decke zahlreiche Leuchten namens «Donut» mit einem Durchmesser von 1.80 m. Die Leuchtkörper aus Polyethylen (Spritzgussform) mit 4 herausnehmbaren, dimmbaren LED-Einsätzen wirft ein diffuses, warmweisses (3000 K) Licht. Die markante Habitus der Pendelleuchten findet sich interpretiert an den Arbeitsplätzen in den Stockwerken darüber wieder: Die Tischleuchte «Nabide» – ebenfalls ein Kooperationsprojekt von Artemide und schneider+schumacher – erzeugt ebenfalls ein warmweisses LED-Licht (3000 K) und einen Lichtstrom von 567 lm, wofür sie eine Anschlussleistung von gerade einmal 8,2 W benötigt. So begleiten die in den 1970er-Jahren von ABB Architekten erdachten Gebäudecharakteristika «Linie und Rund» den Besucher oder Mitarbeiter durch das ganze Gebäude, ohne jemals aufdringlich zu sein. Für Otto Normalarchitekturfan eindeutig ein Zeichen für eine gelungene Revitalisierung eines wichtigen Architektur-Denkmals.

Abgerundete Ecken als Thema findet sich im gesamten Gebäude wieder, vom Grundriss über die Fassade und tragenden Säulen bis hin zu den Hinweisschildern im Inneren. (Foto: Werner Huthmacher / Artemide)
Der Innenraum ist charakterisiert durch eine aussergewöhnliche Rundumsicht sowie sehr schmale Fassadenelemente. (Foto: Kirsten Bucher)
Zum kreativen Austausch können die sehr offen gestalteten Teeküchen genutzt werden. (Foto: Kirsten Bucher)
An den Schreibtischen nimmt die Leuchte «Nabide» den Look der Pendelleuchten im Foyer auf.(Foto: Werner Huthmacher / Artemide)
Grundriss 31. Obergeschoss
Grundriss Regelgeschoss
Grundriss Foyergeschoss
Lichtverteilung und Schnitt Pendelleuchte «Donut»
Masse und Detailansicht Schreibtischleuchte «Nabide»
Formal ist «Nabide» auf die wenigen Elemente Kreis und Linie reduziert. (Foto: Artemide)
Vom DGNB wurde das Gebäude nach der Revitalisierung mit dem Zertifikat in – wie könnte es anders sein – silber ausgezeichnet (Objektbewertung: 69,9 %, Standortbewertung: 77,7 %). (Foto: schneider+schumacher)
Projekt
Silberturm / Silver Tower
Frankfurt am Main, D

Hersteller
Artemide

Kompetenz
LED-Leuchte Donut
LED-Leuchte Nabide

Architekt Revitalisierung, Innenarchitekt
schneider+schumacher
Frankfurt am Main, D

Projektteam
Tim Ahlswede und Till Schneider (Projektarchitekten), Wiebke Rösler und Matthias Hohl (Projektleitung Planung)

Bauherr/Auslober
Commerzbank AG
Frankfurt am Main, D

Architekt 1978
ABB Architekten
Frankfurt am Main, D

Fertigstellung
2012

Fotografie
Werner Huthmacher / Artemide
Kirsten Bucher
schneider+schumacher


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