Extravaganz in Reihe

Ulrike Hark
7. März 2024
Foto: Roland Bernath

Lange galten Reihenhäuser als kleinbürgerliche Variante des Einfamilienhauses. Biederkeit in Reihe! Doch mit dem Ruf nach Verdichtung erhält die etwas angestaubte Wohnform neuen Glanz. Die Vorteile liegen auf der Hand: Wer Wand an Wand mit Nachbarn wohnt, spart Platz und geniesst dennoch Qualitäten eines Einfamilienhauses. Man kann das Gemeinschaftliche leben, sich aber auch zurückziehen. Dazu lassen sich die Bau- und Heizkosten senken. EMI Architekt*innen haben bereits Erfahrung mit dem Bau von Reihenhäusern. Für die Baugenossenschaft Lägern Wohnen haben sie kürzlich zwölf Reihenhäuser realisiert. Mit je fünfeinhalb beziehungsweise einmal viereinhalb Zimmern zur Miete bieten sie Familien mit Kindern einen idealen Platz. Jedes Haus hat seinen eigenen Garten und eine private Dachterrasse. 

Mit diesem Projekt bringt das Zürcher Büro nochmals neue Aspekte ins Spiel. Die beiden dreigeschossigen Baukörper nehmen jeweils sechs Häuser auf, die mit ihrer sparsamen Geschossbreite von 3,75 Metern extrem schmal sind. Auch das Erscheinungsbild ist unkonventionell, um nicht zu sagen extravagant: Die feingliedrige Holzfassade aus vorvergrauter Fichte und die unterteilten Fenster mit ihren roten Profilen erinnern an japanische Vorbilder. Markant sind auch die roten Eingangstüren. Die Häuser fallen auf in diesem für eine ländliche Gemeinde typischen Wohnquartier: Zeilenbauten aus den 1940er-Jahren, Einfamilien- und Mehrfamilienhäuser bilden den Mix. Dennoch fügen sich die Neulinge dank gelungener Proportionen und ihrer Kleinteiligkeit ins Umfeld ein. Das ist geschickt gemacht. «Im Quartier leben viele Familien», sagt Christian Inderbitzin, «das Projekt nimmt in verschiedener Hinsicht Bezug auf diesen Kontext.» Die steilen Dächer aus Titanzink skalieren die dreigeschossigen Gebäude herunter und machen so optisch aus einem hohen ein zweigeschossiges Volumen. Der Schulterschluss zur Nachbarschaft ist hergestellt – und doch geben die Metalldächer den Häusern einen raffinierten, urbanen Look. 

Foto: Roland Bernath

Weil die Häuser als Hybride aus Holz und Beton erstellt sind, erregte bereits der Bauprozess Aufmerksamkeit. Zuerst wurden die Wohnungstrennwände aus Beton hochgezogen, die auf der Baustelle zunächst etwas verloren wirkten. Auf eingeschobene Konsolen in den Wänden wurden anschliessend die Holz-Geschossdecken gelegt. Nur das Untergeschoss und die Trennwände sind aus Beton, der grosse Rest wurde im Holz-Elementbau ausgeführt. Sämtliches Holz stammt aus Schweizer Wäldern. 

Wie aber bringt man möglichst viele Parteien auf ein relativ kleines Grundstück? Der örtliche Gestaltungsplan verlangte drei Geschosse mit hoher Ausnutzung. EMI Architekten (Edelaar, Mosayebi, Inderbitzin) entschieden sich für schmale Häuser von nur 3,75 Metern Breite; so konnten zwölf Familien Platz finden. Dank Split-Levels, bei denen die Geschosse zueinander leicht versetzt sind, war es möglich, die Enge mit einem Überschuss an Höhe zu kompensieren. An einer mittigen Treppe reihen sich in der Vertikalen die Wohnräume auf, sodass man von jedem Treppenabsatz eine neue Sicht hat. Das offene, kontinuierliche Raumkonzept schafft Weite und macht neugierig auf das, was oben noch alles kommt. 

Foto: Roland Bernath
Foto: Roland Bernath

Betreten werden die Häuser über einen kleinen Windfang, der auch als Garderobe fungiert. Von dort aus öffnet sich ein hoher, fliessender Raum, der mit der Ess-Küche und dem Wohnraum jeweils das Herzstück des Hauses bildet. Der Wohnraum ist leicht tiefer gelegt und hat direkten Anschluss an den eigenen Garten. Wände aus Schalungssteinen und Holzpergolen geben den Gärten eine intime Atmosphäre und lassen doch Durchblicke zur Nachbarschaft zu. 

In den Obergeschossen befinden sich halbgeschossig versetzt vier weitere von der Grundfläche her identisch grosse Räume; zwei Badezimmer und ein separates WC sind jeweils einem Split-Level zugeordnet. Dank ihres quadratischen Grundrisses können die vier Wohnzimmer unterschiedlich genutzt werden: «Das Familienleben kann sich in der Vertikalen gut verteilen», sagt Christian Inderbitzin. Das oberste Zimmer punktet nochmals mit seiner Höhe – von dort geht es über einen kleinen Estrich hinauf zur privaten Dachterrasse. Wie die Gärten lassen auch die Terrassen nachbarschaftliche Kontakte zu, seitlich sind sie nur mit einem Metallgitter voneinander getrennt.  Rankende Pflanzen werden hier oben im Frühling für natürliche Vielfalt sorgen. 

Die im Innern verarbeiteten Materialien sind natürlich und schlicht. Im Erdgeschoss, wo der Zugang zum Garten ist, wurde ein robuster Spaltklinker in einem rötlichen Braunton verbaut. In den Obergeschossen wurden Linoleumböden in einem warmen Grau verlegt, während man die Treppen über massive, geölte Stufen aus Buchenholz betritt. Alle Türen leuchten wie die Fenster in Rot, was dem Interieur eine fröhliche, wohnliche Note gibt. Die Holzdecken sind in einem luftigen Hellblau gestrichen – dem Himmel so nah, möchte man meinen. 

Foto: Roland Bernath
Foto: Roland Bernath

Hinter allen Details ist grosse Sorgfalt spürbar, auch wenn der Kostendruck laut Christian Inderbitzin nicht unerheblich war. Für den Handlauf der Treppe wurden zum Beispiel günstige Buchenholz-Stangen so geschickt verarbeitet, dass sie nun absolute Handschmeichler abgeben. Nichts im Innenausbau ist glatt und minimalistisch, alles wirkt sympathisch additiv und möbelartig. So zeigen sich die Heizungsradiatoren und Steigleitungen offen und selbstbewusst. Der gute alte Wärmekörper, der mit Fernwärme bedient wird, strahlt Sinnlichkeit aus und heizt an kalten Tagen den Rücken wohlig ein. Dazu lässt er sich direkt dort regulieren, wo man Wärme braucht. In glänzendem Schwarz wirkt er hier vor grauen Wänden fast wie ein japanisches Relief. 

Foto: Roland Bernath

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