Der Schulthess Gartenpreis 2024 geht nach Bern

Elias Baumgarten
23. Mai 2024
Foto: Noah Santer, Schweizer Heimatschutz

Das Relief am Wegesrand zierte einst ein Gebäude. Nebenan plätschert ein Wasserspeier, der beim Abriss eines älteren Brunnens gerettet wurde. Die Stützmauern, die den steilen Hang sichern, sind aus verschiedenen Steinsorten und Betonresten gebaut. Die Englischen Anlagen in Bern sind ein Re-Use-Projekt aus der Belle Époque: Der grösste Teil der Parkanlage wurde um das Jahr 1911 vom Verschönerungsverein der Stadt angelegt. Weil es an Geld fehlte, wurden allerhand Gebrauchtteile verwendet und die Menschen legten bei den Bauarbeiten selbst Hand an. Improvisation und die nicht immer fachmännische Umsetzung machen den besonderen Charme des Grünraums aus. Heute zählen die Englischen Anlagen mit ihren geschwungenen Promenaden und dem dichten Mischwald zu den beliebtesten Naherholungsräumen Berns. 

Foto: Noah Santer, Schweizer Heimatschutz
Foto: Noah Santer, Schweizer Heimatschutz

Doch mangelnder Unterhalt und der starke Hangdruck zogen den Park am Aareufer zusehends in Mitleidenschaft. 2021 wurde er schliesslich instand gesetzt: Ein Team um die Landschaftsarchitektinnen des Büros Umland reparierte Treppen und Wege, flickte die Stützmauern und passte sie heutigen Bestimmungen an. Dabei mussten Brocken von bis zu 600 Kilogramm bewegt werden – keine einfache Aufgabe in dem steilen, dicht bewachsenen und oft matschigen Gelände. Zusätzlich zu den Reparaturmassnahmen wurden neue Sichtachsen geschaffen: Durch ausgeholzte «Sichtfenster» sieht man das Münster am gegenüberliegenden Ufer. Dann und wann erhascht man durch einen «Schleier» von Pflanzen einen Blick auf Berns geschichtsträchtige Altstadt aus der Zeit der Zähringer.

Die Landschaftsarchitektinnen, denen nur ein knappes Budget zur Verfügung stand, entschieden sich für ein zurückhaltendes Vorgehen – dabei hatten sie zunächst eigentlich an grössere Änderungen gedacht. Gestalterische Freiheiten verschaffte ihnen indes die Möglichkeit, das Areal als durchwegtes Waldstück aufzufassen: Die üblichen Normen für städtische Freiräume galten nicht. Bei der Planung banden Brigitte Nyffenegger und Nicole Wiedersheim die Menschen vor Ort von Beginn an ein: Das Kinderparlament und der Quartierverein wirkten genauso mit wie der Kanton, der Gewässerschutz, die Gartendenkmalpflege und Stadtgrün Bern. Wie schon der Bau der Englischen Anlagen vor über hundert Jahren sollte auch ihre Sanierung ein Projekt der Stadtbewohner sein.

Foto: Noah Santer, Schweizer Heimatschutz

Nun zeichnet der Schweizer Heimatschutz die Reparatur mit seinem renommierten Schulthess Gartenpreis aus, mit dem der Verein seit 1998 hervorragende Leistungen auf dem Gebiet der Gartenkultur würdigt. Feierlich übergeben wird er am 17. August in Bern. Zwar seien die Englischen Anlagen aus gartendenkmalpflegerischer Sicht nicht aussergewöhnlich, hiess es zur Begründung, doch ihre Sanierung sei wertvoll für die Bevölkerung. Im Kampf gegen die Überhitzung unserer Städte und für mehr Biodiversität kommt es nicht nur darauf an, neue Grünräume zu planen. Genauso wichtig ist, vorhandene zu pflegen und zu erhalten – auch wenn es sich wie bei den Englischen Anlagen nicht um kanonisierte Werke bekannter Gestalter handelt.

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