Schweizer siegen in München

Manuel Pestalozzi
4. Mai 2016
Bilder: Morger Partner Architekten

Wer sich in der Schweiz in Wettbewerben durchsetzt, hat offenbar im Ausland gerade bei Fragen des kontextuellen Bauens reelle Siegeschancen. Dies ist der Schluss, der sich angesichts des Rankings in München ziehen lässt. Die Vertrautheit mit den Schriften von Aldo Rossi war bei diesem Projekt sicher kein Nachteil. Denn die Alte Akademie scheint beispielhaft zu zeigen, was der grosse Mailänder mit der architettura della città darlegen wollte.
 
Das bis zu sechsstöckige Gebäude mit vier Innenhöfen in Münchens Altstadt stammt aus dem 16. Jahrhundert und war ursprünglich ein Jesuitenkolleg, dass sukzessive errichtet wurde. Als recht strenge Palastanlage mit Kasernencharakter erinnert die Anlage an den Escurial bei Madrid. Sie ist aber ins Gefüge der Altstadt eingepasst und grenzt an die wichtigsten Strassen und Platzräume, wie die bekannte Flaniermeile Kaufingerstrasse.
 
Nach der Aufhebung des Jesuitenordens beherbergte das Gebäude die Polizeidirektion, die Bayerische Staatsbibliothek, den Malteserorden, anschliessend die Bayerische Akademie der Wissenschaften, die Akademie der Bildenden Künste und Ludwig-Maximilians-Universität. Nach dem Zweiten Weltkrieg standen nur noch 16 Fensterachsen der Südwand des Gebäudes. Der Gebäudekomplex wurde von Josef Wiedemann in Anlehnung an die alten Strukturen wiederaufgebaut. Dass Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung, die Bayerische Landesbodenkreditanstalt, das wieder zugelassene Jesuitenkolleg und das Kaufhaus Hettlage zogen ein.
 

Nach dem Auszug von Hettlage und des Landesamtes wurde die Liegenschaft mit einer Grundstücksfläche von ca. 6055 m² im Erbbaurecht 2013 auf 65 Jahre an die österreichische Immobiliengruppe Signa Holding vergeben. 2014 eröffnete der Bekleidungskonzern Urban Outfitters aus Philadelphia auf 300 Quadratmetern seine achte Filiale in Deutschland als Zwischennutzer. Zielgruppe dieses Geschäfts sind Hipster, wie bei de.wikipedia.org nachzulesen ist.
 
Signa hat den internationalen, einstufigen Realisierungswettbewerb ausgeschrieben. Ziel war es, im historischen Gebäudekomplex eine Mischung aus Einzelhandel, Gastronomie, Büros und Wohnungen unterzubringen. Die Jury formuliert in ihrem Komentar zum siegreichen Projekt der Morger Partner Architekten treffend die Qualitäten, welche den «Schweizer Entwurf» charakterisieren: «Die Verfasser verstehen sich nicht als Autoren, sondern als Interpreten des Gebäudeensembles. Minimale Eingriffe oder Adaptionen reichen aus, um den Geist der unterschiedlichen Historie der Gebäude hervorzuheben.»

Lob fand bei der Jury auch die differenzierte Betrachtung der unterschiedlichen Epochen der einzelnen Gebäudeteile und deren architektonische Weiterentwicklung auch in denkmalfachlicher Sicht. Das ehemalige Hettlage-Gebäude soll unter denkmalgerechtem Erhalt der Fassade rückgebaut und weiterentwickelt werden.

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