Das Haus im alten Obstgarten
Im deutschen Gersheim hat Roman Morschett das neue Haus einer Familie gebaut. Der Basler Architekt erklärt, welche Anleihen er für den Holzbau – sein Erstlingswerk – bei den landwirtschaftlichen Bauten ringsherum vorgenommen hat.
Herr Morschett, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?
Die alte Streuobstwiese, auf der das Haus für eine vierköpfige Familie entstehen sollte, liegt zwar inmitten des Dorfes Gersheim, war jedoch zuvor nie bebaut. Uns hat die Vorstellung gefallen, die Ortschaft im Inneren zu verdichten, statt sie an den Rändern weiter zu zersiedeln. Trotzdem wollten wir unbedingt die besondere Stimmung des Ortes erhalten.
Um dieses Ziel zu erreichen, suchten wir nach einem angemessenen architektonischen Ausdruck, den wir in einem einfach gefügten Holzbau fanden. Materialität, Konstruktion und Farbigkeit sollten dabei an landwirtschaftliche Zweckbauten erinnern.
Uns war es ein grosses Anliegen, einen starken Bezug zum Aussenraum zu schaffen. Zur Strasse auf der Nordseite tritt das lang gestreckte Haus geschlossen in Erscheinung und gewährt kaum Einblicke ins Innere. Auf der Südseite hingegen öffnet es sich und gibt den Blick über die alten Dächer des Dorfkerns in die Kulturlandschaft des Bliesgaus frei. Aussen wie innen folgt das Haus der Bewegung der Landschaft. Ob die vorgelagerte Laube mit ihrer einladenden Sitzbank zum Garten oder zum Innenraum gehört, bleibt offen.
Zunächst war der Entwurf radikaler. Der Baukörper war noch ein bisschen länger und nicht zur L-Form abgeknickt. Der Bauherrschaft gefiel unser Vorschlag, allerdings wünschte sie sich einen geschützteren Aussenraum. Diese Weiterentwicklung hat das Projekt besser gemacht, führte sie doch auch zu einer Bereicherung der (innen)räumlichen Situationen.
Tatsächlich handelt es sich um unser Erstlingswerk.
Natürlich haben wir uns bemüht, den relevanten Themen unserer Zeit Rechnung zu tragen. Dabei war es uns wichtig, dass sich Konstruktion, architektonischer Ausdruck und energetische Aspekte zu einem dichten, stimmungsvollen Ganzen verweben.
Der geringe Öffnungsanteil im Norden steht der grosszügigen Verglasung auf der Südseite gegenüber, die in den Wintermonaten bei tiefstehender Sonne zu spürbaren solaren Wärmegewinnen führt. Gleichzeitig verhindert der grosse Dachüberstand eine zu starke Aufheizung im Sommer. Die sichtbar belassene Holzkonstruktion im Aussenraum stärkt durch das Weglassen zusätzlicher Schichten die gestalterische Idee und spart gleichzeitig Ressourcen. Beheizt wird das Haus übrigens mit einer Wärmepumpe, deren Strombedarf durch die Photovoltaikanlage in Kombination mit einem Batteriespeicher gedeckt wird.
Lärchenholz ist das prägende Material des Hauses, denn es begegnet einem in Form der sägerauen Fassadenschalung, der Terrassendielen und Stützen, der Sitzbänke, Fenster und Parkettböden.
Wohnhaus im Bliesgau
Standort
Pfälzer Strasse 2, 66453 Gersheim, Deutschland
Nutzung
Einfamilienhaus
Auftragsart
Direktauftrag
Bauherrschaft
Privat
Architektur
Roman Morschett, Basel
Fertigstellung
2023
Auszeichnung
Häuser des Jahres 2024, Callwey Verlag
Fotos
Rory Gardiner