Calatravas Rippenkäfig am Stadelhofen

Manuel Pestalozzi
26. September 2016
Bilder: Calatrava Valls SA

Mit seinem Projekt für den Umbau des Bahnhofs Stadelhofen schaffte Santiago Calatrava anfangs der 1990er-Jahre den internationalen Durchbruch. Die Perronanlage, die darüber verlaufende Galerie und die Passage unter den Gleisen verhalfen Zürich zu einem diskret ins Stadtgefüge eingepassten architektonischen Highlight. Der geplante Neubau südöstlich des historischen Bahnhofs kann man praktisch als «Schlussstein» des Projekts betrachten.
 
Dem Bürohaus weichen muss das Haus zum Falken, ein Barocklandhaus aus dem 18. Jahrhundert mit mächtigem Walmdach. Seine lange Vorstadtgeschichte sieht man dem etwas mitgenommenen Solitär zwischen Bahn- und Tramgeleisen nicht unbedingt an. Heute ist das um niedrige Anbauten ergänzte Haus als Café Mandarin bekannt, als Tearoom und Imbiss inmitten einer stark frequentierten Umsteigestelle. 2014 schrieb der Kunsthistoriker Stanislaus von Moos noch ein beherztes Plädoyer für dessen Erhalt. Es hat nichts genutzt.

Blick aus der Mühlebachstrasse.

Mit an Bord ist bei diesem Unterfangen neben der Eigentümerin AXA Winterthur und Santiago Calatrava auch die Stadt Zürich. Ihr Stadtrat hat das Landhaus aus dem Inventar der schützenswerten Bauten von kommunaler Bedeutung entlassen, unter der Bedingung, dass im Neubau eine öffentliche Velostation erstellt wird. Aktuell müssen die Drahtesel auf dem Stadelhoferplatz vor dem Bahnhofgebäude unter den Platanen parkiert werden, was nicht allen gefällt. Die Velostation wird im Keller angeordnet sein und soll einen direkten ober- und unterirdischem Zugang zu den Perrons erhalten. Sie wird finanziert durch den so genannten Mehrwertausgleich. Das Amt für Städtebau und die Investorin AXA haben im Rahmen einer Vereinbarung einen Betrag von 1,54 Millionen Franken ermittelt, den AXA für den planerischen Mehrwert an die Stadt zu zahlen hat.
 
Der Ingenieur-Architekt aus Valencia, der im Quartier noch immer eine Wohnung besitzen soll, erhielt einen Direktauftrag für dieses Projekt. Dies deutet an, dass sich seine Auftraggeber eine direkte Anlehnung an die bald dreissigjährige Stationsanlage erwarteten. Diesen Erwartungen wird der Entwurf gerecht. Die Visualisierungen zeigen ein kompaktes, geschlossenes Volumen, das, dem Verlauf der angrenzenden Verkehrswege folgend, nach Nordwesten immer breiter wird und passgenau einen Abschluss des Bahnhofsgeländes und des Stadelhoferplatzes bildet. Die nordwestliche Fassadenflucht weicht gegenüber dem aktuellen Mandarin-Anbau zurück. Dadurch wird die elegante Fussgänger-Passerelle von 1990 freigespielt und der Zugang zu den Perronanlagen erleichtert.

Zur Architektur lässt sich noch nicht allzuviel sagen. Offenbar sollen die Geschosse von einem verglasten Rippenkäfig umgeben werden. Als expressive Monumentalordnung gibt er dem Bau seine skulpturale Form, die an einen geschliffenen Stein erinnert. Man kann diese äussere Hülle mit einem Nadelstreifenanzug vergleichen, der die Nutzung als Business-Center andeutet. Die Rippen stützen sich zumeist auf Bögen ab, die den Zugang zum Erdgeschoss ermöglichen.
 
Der Neubau wird vom Verkehr umströmt sein und repräsentiert mit seiner Architektur die Bewegung. Im Kontrast zur Stationsanlage wirkt er wie ein Fels in der Brandung. Durch seine von den Nachbarbauten deutlich abgerückte und exponierte Lage hat er die Chance, zu einem neuen Wahrzeichen des Stadtteils und der Stadelhofer-Platz- und Parkanlage zu werden. Diese Rolle hat ihm Santiago Calatrava offensichtlich auf den Leib geschnitten – völlig unabhängig von der Nutzung der Geschossflächen, die nach seinen Vorstellungen offenbar anonym sein wird.

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