Der Länderpavillon ohne Land

Inge Beckel
14. Juni 2016
Der Pavillon der Westsahara. Bild: © Iwan Baan

Er repräsentiert die Westsahara – ein Land, das es offiziell nicht gibt. Durch seinen Standort innerhalb des Biennale-Geländes ist der Pavillon jedoch physisch und örtlich Teil der offiziellen Biennale. Er ist «dabei» – dies im Gegensatz etwa zum Pavillon von Katalonien.

Es ist das erste Mal, sagt Manuel Herz, dass ein politisch inexistentes Land am Grossanlass teilnimmt. Herz hat den Beitrag kuratiert und verantwortet ihn zusammen mit dem Fotografen Iwan Baan sowie mit einem Ausschuss sahrauischer Frauen. Die Frauen haben inhaltlich mitgearbeitet und steuern die drei geknüpften Teppiche bei, die im Pavilloninneren hängen. Die Knüpftechnik ist traditionell, die Motive, die sie knüpften, sind neu. Sie zeigen Darstellungen der heutigen Situation der Westsahara.
 
Die Westsahara liegt – wie der Name sagt – im Westen der Sahara. Ehedem eine spanische Kolonie, wurde das Land nach Abzug von Francisco Francos Truppen durch Marokko besetzt. Die Westsahara wird heute als die grösste verbleibende Kolonie weltweit bezeichnet. Ein Teil der Sahrauis blieb im besetzten Land, ein Teil ist in die Wüste Algeriens geflohen, wo sie geduldet werden.
 
Diese geflohenen Leute mussten am neuen Ort Ihre Häuser und Infrastruktur neu aufbauen und die eigene Organisation regeln. Heute haben sie ein Parlament, das offiziell die Geschäfte des Volkes regelt und sie nach aussen repräsentiert. Manuel Herz studiert und befasst sich seit vielen Jahren mit diesen Lagern; 2013 ist dazu eine Publikation erschienen. Im Buch From Camp to City wird die gelebte Realität vor Ort nachgezeichnet – im Unterschied zur verbreiteten Betrachtungsweise von Flüchtlingslagern als Schauplatz von Elend und Verzweiflung oder als Orte humanitären Engagements.

Auf die Frage, warum er mit Frauen zusammenarbeitete, meint Herz, in den Lagern hätten die Frauen das Sagen. Denn während der Vertreibung, als die Männer im Krieg waren, waren sie es, die die neue «Heimat» aufbauen mussten. Und diese Verantwortung haben sie nach der Rückkehr der Männer nicht mehr abgegeben. Nun hört man zuweilen, dass gesellschaftliche Entwicklungsschübe grundsätzlich nach Revolutionen schnell vorangehen. Sind Gesellschaften stabil, brauchen Veränderungen sehr viel mehr Zeit.

Siehe etwa auch auf Stylepark: Ein Staat im Flüchtlingslager.

Parlament im Exil. Bild: © Iwan Baan

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