Sparen und wiederverwenden: ZHAW, Stadt Winterthur und Holcim bauen gemeinsam

Manuel Pestalozzi
23. Januar 2024
Der Forschungsbau soll auch zum Treffpunkt im neuen Stadtquartier werden. (Visualisierung: © Katharina Bayer)

Winterthur hat sich in den letzten Jahrzehnten von einer Arbeiter- zur Kulturstadt und zu einem wichtigen Bildungsstandort entwickelt. Zurzeit wird vor allem im Westen der Stadt gebaut: Mit Neuhegi und Grüze wachsen zwei neue Stadtteile heran. Dort entsteht auch das Innovationslabor Grüze, das im Frühling eröffnet werden soll. Der Neubau ist ein Kooperationsprojekt der Stadt, der ZHAW und des Baustoffproduzenten Holcim.

Der Pavillon wird als Informationszentrum, Kaffeehaus und Veranstaltungsort, aber auch als Experimentierwerkstatt für nachhaltiges Bauen dienen. Besonders macht ihn die Bauweise: Er wird aus filigranen Betonfertigteilen zusammengesetzt. Entwickelt haben sie Forschende der ZHAW in Zusammenarbeit mit der Firma CPC. Die dünnen Platten sind nicht wie gewöhnliche Betonteile mit Stahl bewehrt, stattdessen nehmen vorgespannte Carbonlitzen die Zugkräfte auf. Anders als Stahl kann der Werkstoff Carbon, der eine sehr hohe Zugfestigkeit aufweist, nicht korrodieren. Das Material wird darum schon seit längerem in der Luftfahrt, der Automobilindustrie, aber auch etwa bei Sportgeräten eingesetzt. Durch diese technische Verbesserung können die CPC-Platten bis zu viermal schlanker ausfallen als herkömmliche Betonbauteile.

Die dünnen Bauteile des 2013 gegründeten Unternehmens CPC sind übrigens bereits Teil unserer gebauten Umwelt: Als Belagsplatten mit tragenden Eigenschaften wurden sie beispielsweise in Zürich beim frisch sanierten Mühlesteg über die Limmat verbaut. Aktuell werden Elemente für Stützmauern, Strassenbrücken und eben Gebäude entwickelt.

Die dünnen CPC-Elemente lassen sich industriell fertigen und auf Mass zuschneiden. Sie werden mit dem Tieflader zur Baustelle transportiert und dort montiert. (Foto: © Holcim (Schweiz) AG)
Materialersparnis

Der geringe Materialaufwand der CPC-Tragstruktur soll sich positiv auf die Umweltbilanz auswirken: «Dank dem CPC-Ansatz reduzieren wir den CO2-Fussabdruck um den Faktor zwei bis vier und erzielen Materialeinsparungen von bis zu 75 Prozent gegenüber einer herkömmlichen Bauweise», erklärt Josef Kurath, Professor am Departement Architektur, Gestaltung und Bauingenieurwesen der ZHAW und Gründer der CPC AG. 

Die CPC-Bauteile für das Innovationslabor Grüze werden von Holcim gefertigt. Die Firma arbeitet seit Jahren an umweltfreundlicheren Lösungen für den Baustoff Beton, der zunächst eine schlechte Umweltbilanz aufweist. «Das Konstruieren mit CPC stellt eine neue, innovative Beton-Leichtbauweise dar», sagt Alexis Ringli, der den Pavillon am Architektur-Departement der ZHAW entworfen hat. «Sie eröffnet ganz neue Möglichkeiten, etwa bezüglich der Unterbringung von Haustechnik und nicht zuletzt der Gestaltung.»

Ein Deckensystem-Abschnitt wurde an der Swissbau ausgestellt. (Foto: © Holcim (Schweiz) AG)
Bauteile verleihen

Doch nicht nur Baumaterial und Konstruktionsweise sind unkonventionell: Das Innovationslabor soll auch ein Pionierprojekt für das Sharing von Bauteilen werden. Holcims Ansatz besteht darin, die Elemente zu verleihen, später wieder zu demontieren und anschliessend für den nächsten Einsatz vorzubereiten. Clemens Wögerbauer, Head Commercial and Sustainability bei Holcim, erklärt dazu: «Die eingesetzten CPC-Elemente lassen sich in ihre Einzelteile zerlegen und andernorts wieder aufbauen, sei es als dasselbe oder als ein völlig anderes Objekt.» Aus seiner Sicht ist der Sharing-Gedanke ein Gewinn für alle: «Dieser Ansatz ermöglicht uns, Ressourcen länger im Kreislauf zu halten. Für Bauherren ergeben sich ebenfalls viele Vorteile, beispielsweise entfällt für sie der Gebäuderückbau.» 

Die Grundidee gefällt und liesse sich womöglich gut auf andere Baustoffe und -teile übertragen. Die nächsten Jahre müssen erweisen, ob sich solche Ansätze, die auch wirtschaftlich anders funktionieren, in grösserem Umfang durchsetzen können.

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