Weiss eine Maschine, was schön ist?

Manuel Pestalozzi
27. September 2023
Mit einem auffälligen Häuschen werden Passant*innen im österreichischen Linz aufgefordert, Architekturvisualisierungen zu bewerten. Die Bilder stammen nicht etwa von Architekt*innen, sondern wurden von einer künstlichen Intelligenz erschaffen. (Foto: © mais.arch)

Das Architekturforum Oberösterreich (afo) gehört zu den zehn österreichischen Architekturhäusern, die sich in den Bundesländern um die Architekturvermittlung kümmern. Sein Sitz ist ein denkmalgeschütztes Haus am Herbert-Bayer-Platz 1 in Linz.

Getragen wird das afo von einem Verein, der sich die Vernetzung von Architekt*innen, Planer*innen und Bauherr*innen mit Akteur*innen aus Handwerk, Wirtschaft, Wissenschaft, Kunst, Kultur und Politik zur Aufgabe gemacht hat. Zum Programm der Institution gehören Ausstellungen, Diskussionen, Vorträge, Publikationen und Besichtigungen.

Seit Jahrtausenden machen sich Menschen Gedanken darüber, was «schee» (schön) und was «schiach» (hässlich, unansehnlich) ist. Eine allgemeingültige Definition freilich wurde dabei nie gefunden. Das Architekturforum Oberösterreich (afo) widmet dem Thema eine dreiteilige Ausstellung, die verschiedene interessante Fragestränge gleichzeitig verfolgt. Zunächst hat sich die Vermittlungsinstitution mit Vorstellungen und Definitionen aus der Architekturgeschichte befasst. Bis zum 22. September wurde dann die Gegenwart beleuchtet. Mit dem dritten Teil wird das afo im Herbst einen Blick in die Zukunft wagen. Die Vorbereitungen in Form einer Kunstaktion, mit der Feldforschung betrieben wird, laufen bereits.

Über einen kleinen Bildschirm werden Architekturen gezeigt, die Passant*innen bewerten sollen. (Foto: © mais.arch)

Das sogenannte afo-mobil, ein magentafarbenes Häuschen auf einem Fahrradanhänger, ist in Linz unterwegs. Es macht da und dort Station, und auf einem kleinen Bildschirm werden diverse Fassaden gezeigt, über die Passant*innen ein Urteil fällen sollen. Das Verdikt «schee» oder «schiach» lässt sich dabei per Knopfdruck abgeben. Das Besondere: Die Gestaltungen stammen nicht etwa von namhaften Architekturschaffenden, sondern werden von einer künstlichen Intelligenz (KI) errechnet. 

Hinter dem spannenden Projekt stehen Max Meindl und Paul Eis, die gemeinsam das Kollektiv mais.arch führen. Franz Koppelstätter, der Leiter des afo, hat die beiden beauftragt. Die Aktion, die zunächst nach Vorstellungen von schön und hässlich fragt, öffnet die Debatte, ob eine KI ästhetische Architektur schaffen kann. Sie spielt damit auch mit der Befürchtung, ja Angst, Architekt*innen könnten dereinst durch KI überflüssig gemacht werden. Zurzeit werden solch düstere Zukunftsszenarien in den verschiedensten Berufsfeldern ausführlich diskutiert. Die Tagespresse heischt mit unzähligen Artikeln zum Thema nach Aufmerksamkeit und erfreut sich dabei hoher Leserzahlen. Warum jedoch zumindest Architekt*innen eigentlich nicht in Sorge sein müssen, zeigte jüngst ein Forscherteam der ZHAW in einem lesenswerten Buch. Dabei sollte allerdings umgekehrt nicht übersehen werden, dass viele Menschen bereits die Ergebnisse von KI-Anwendungen für qualitätsvoll halten und ihnen mitunter blindlings vertrauen – Beispiele sind der Übersetzer DeepL oder der Chatbot ChatGPT.

Schon jetzt liegen erste Auswertungen zu den gezeigten KI-Architekturen vor. Die Schau mit den Ergebnissen der Aktion läuft ab dem 12. Oktober. (Visualisierung: © mais.arch)

Nach Abschluss der Tour durch die Stadt werden die KI-Architekturen und die Reaktionen der Menschen auf sie in der dritten Episode der Ausstellung gezeigt. Hinzu kommen weitere Themen, etwa wie KI-generierte Bilder eigentlich entstehen. Die Schau feiert am 11. Oktober Vernissage und läuft dann vom 12. Oktober bis zum 15. Dezember. Gewiss ist schon jetzt: Sie wird für Gesprächsstoff sorgen und dürfte vielfältige, spannende Debatten initiieren beziehungsweise befeuern.

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