Wieder Ärger für Chipperfield

Manuel Pestalozzi
2. September 2016
Bilder: DBOX for Qatari Diar

Die US-Botschaft in London entstand von 1955 bis 1960 und ist  ein unmodern-moderner Repräsentativbau des finnisch-amerikanischen Architekten Eero-Saarinen (1910–1961). Der sonst direkt überschwänglich expressive Baukünstler hielt sich am Grosvernor Square zurück und berücksichtigte den neo-georgianischen Kontext. Der Fassadenraster aus massiven, versetzten Betonrahmen und der vergoldete Aluminiumadler im Dachfries erzeugen eine Gravität klassischen Zuschnitts. Man merkt sofort: Hier residiert die Vertretung einer Weltmacht.
 
Der Botschafter wird demnächst ins Quartier Nine Elms umziehen, in einen Neubau von Kieran Timberlake aus Philadelphia. Der Saarinen-Bau wurde vom Hotellerie-Konzern Qatari Diar gekauft, der auch mal etwas mit dem Bürgenstock-Resort zu tun hatte. Er will es in ein Luxushotel mit fünf Restaurants, sechs Shops, einem Ballsaal für 1'000 Personen und anderen Veranstaltungsräumen verwandeln. Bei einem Wettbewerb setzte sich Chipperfield gegen Büros wie  Foster + Partners und KPF durch.
 
Wie die Visualisierungen zeigen, wird sich die äussere Erscheinung durch den Umbau wenig verändern – sogar der Adler darf bleiben. Doch die Twentieth Century Society, die sich um das Architekturerbe Grossbritanniens ab 1914 kümmert, hat schwere Bedenken gegen das Projekt. Sie schrieb einen Brief an den Westminster council, die zuständige Bewilligungsinstanz. Darin gab sie ihrer Sorge Ausdruck über die inneren Zerstörungen, insbesondere die Entfernung der ursprünglichen Treppe und die Verdoppelung der Höhe des fünften Obergeschosses. Die Twentieth Century Society befürchtet, dass dadurch die ursprünglichen Proportionen des unter Schutz stehenden Gebäudes Schaden nehmen.
 
Wer an zentraler Stadtlage Bauherrenwünsche umsetzen muss, hat sich auf Opposition gefasst zu machen. David Chipperfield kann davon ein Liedchen singen: Auch in Stockholm, beim Nobelhuset, schlägt ihm Protest entgegen. Vielleicht bringt ihm ein Abtauchen ins Projekt Erweiterung Kunsthaus Zürich da willkommene Atempausen?

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