Schulzentrum Marcelin

21. Juni 2006

Schulzentrum Marcelin
1996–2003

Morges

Bauherrschaft
Kanton Waadt
Département des
infrastructures
Service des bâtiments

Architektur und
Ausführung
Geninasca-Delefortrie
Neuchâtel
mit Tekhne Management
Lausanne

Projektleiter
Ph. Von Bergen
M. Egger

Mitarbeiter
P. Bernasconi
J.-M. Deicher
T. Henking
V. Matthey
E. Ott
L. De Stafano

Kunst am Bau
Daniel Schlaepfer
Lausanne

Bauvolumen
183 800 m3

Baukosten
(BKP 1–9)
CHF 93,5 Mio

Gebäudekosten
(BKP 2/m3)
CHF 420.–



Geninasca Delefortrie
Laurent Geninasca, geboren 1958, studierte an der ETH Zürich Architektur und arbeitete nach einem Praktikum bei Luigi Snozzi im Büro Monnier in Neuchâtel. Bernard Delefortrie ist 1959 geboren und stammt aus Belgien. Er studierte in Brüssel, arbeitete für kurze Zeit in Marokko und kam schliesslich zu Claude Rollier nach Neuchâtel. Beim Wettbewerb für das neue Spital Pourtalès in Neuchâtel erhielt Monnier mit Geninasca und Schmid den ersten Rang, Rollier mit Delefortrie den zweiten Rang. Der Wettbewerb brachte die beiden zusammen und 1995 gründeten sie ein Büro in Neuchâtel. Heute beschäftigen sie 20 Mitarbeiter. Nebst Umbauten realisierten Geninasca und Delefortrie die Primarschule mit Turnhalle Acacias (mit Monnier) in Neuchâtel (HP 10/99), das neue Dach vor dem Bahnhof Neuchâtel, eine Passerelle über die Areuse (HP 6-7/03) oder ein Mehrfamilienhaus in Peseux.
www.gd-archi.ch

Der lange Riegel verstärkt die Terrassenkante. Die dunkle Farbe und die grossen Fenster spielen den Massstab herunter.
Aus der Geländeterrasse wurde ein hölzernes Deck mit zwei eingeschnittenen Höfen. Der <Kreuzgang> dient als Erschliessung.

Der lange Riegel der Berufsschule festigt die Terrassenkante gegen Süden. Die Landschaft reicht direkt bis an die Fassade heran. Auf der Westseite begrenzt das Gymnasium die Anlage. Der Bau ist grossflächig und fassadenbündig verglast – die Spiegelung und die schmalen Lüftungsklappen signalisieren Abwehr. Auch hier wächst das Gras bis an den Sockel. Die neue Turnhalle bildet den Abschluss des hofartigen Ensembles auf der Nordseite. Von weitem erscheint die Schulanlage wie eine Burg in der Landschaft. Im Hof verbindet eine künstliche Plattform, ein weites Holzdeck über dem Untergeschoss, die drei Neubauten miteinander. Zwei kleinere Höfe sind darin eingeschnitten. Sie bringen Licht in die gemeinschaftlich genutzten Räume wie die Bibliothek, Informatik- und Musikräume unter dem Deck. Ein überdachter Weg entlang der Innenfassade der Gebäude führt rund um das Holzdeck. Die regelmässige Stützenreihe, die den Weg säumt, erinnert an einen Kreuzgang – das Schulzentrum ist mehr Kloster als Burg.
Durch das Zusammenlegen der Bibliothek, Musik- und Informatikzimmer unter dem Innenhof konnten die Architekten die Schultrakte schlanker und niedriger gestalten. Mit diesem Trick haben sie den Wettbewerb gewonnen. Unterirdische Räume heisst aber auch, ein Erschliessungssystem entwickeln, das kein Maulwurfsgefühl aufkommen lässt. Deshalb ziehen Geninasca Delefortrie die Lichthöfe des Gymnasiums und der Berufsschule bis ins Untergeschoss. Damit sind eine einfachere Orientierung und auch eine natürliche Belichtung der meisten Räume im Untergeschoss gewährleistet. Verschiedene Ausblicke in die Höfe sowie Rampen in den breiten Gängen machen das unterirdische Wegsystem zur <Promenade architecturale>.

Blick aus der Bibliothek in den Hof <Bois du silence>. Holztische, Tischlampen und Stühle von Alvar Aalto verleihen dem Raum eine intime Arbeitsatmosphäre.
Die Musikzimmer öffnen sich in den Hof mit dem <Basin du murmure>. Unter den bruchrohen Gneisplatten liegt eine Zisterne. Ist sie voll, entsteht eine Wasserfläche.

Die Höfe selbst sind nur zum Anschauen und Geniessen da. Sie sind das Kunst-am-Bau-Projekt des Lausanner Künstlers Daniel Schlaepfer. Im grösseren wachsen Birken aus bruchrohen Gneisplatten. Spezialgläser stossen aus dem Boden und brechen die Sonnenstrahlen in farbiges Licht. Der Hof bekam den Namen <Bois du silence>. Auch der kleine Hof ist mit Gneis ausgelegt. Darunter liegt eine Zisterne. Ist sie voll, bedeckt der Wasserspiegel teilweise die Steine. <Bassin du murmure> heisst dieser Garten. Die beiden Höfe erinnern an japanische Gärten. Die Bibliothek liegt dazwischen. Die langen, hölzernen Lesetische mit den Tischlampen und Sitzgruppen mit Sesseln von Alvar Aalto prägen die intime Arbeitsatmosphäre mit Blick in den <Wald der Stille> und ins <Becken des Gemurmels>.

Plastische Architektur
Taucht man aus dieser höhlenartigen Unterwelt wieder auf, wird die Architektur zunehmend plastisch. In den Lichthöfen des Gymnasiums und der Berufsschule begrenzen massive Brüstungen die Galerien. Die Tragstruktur sind keine dünnen Stützen, sondern breite Betonscheiben, die dem Raum seinen Rhythmus geben. Details fehlen gänzlich: Weder Geländer, Fussleisten oder hängende Lampen stören die körperhafte Erscheinung der Räume. Auch die Sitzgelegenheiten auf dem hölzernen Deck erscheinen wie Ausstülpungen der Fläche – sie sind mit dem gleichen Holz verkleidet wie der Boden. Besonders skulptural ist die Berufsschule gestaltet, die die Geländekante markiert. Kleine Pausenterrassen sind aus dem massiven Riegel herausgeschnitten, ein länglicher Einschnitt am Sockel und eine negative Ecke machen das kantige Volumen zur Plastik. Die grossen, sprossenlosen Fenster des Baus täuschen die Wahrnehmung: Das Gebäude erscheint kürzer als 130 Meter. Die Fassaden des Gymnasiums hingegen sind spiegelglatt. Die offenen Lüftungsflügel zwischen den raumhohen Festverglasungen setzen plastische Akzente.
Die Berufsschule ist in einem sehr dunklen, fast schwarzen Nachtblau gestrichen. Dadurch soll das Gebäude kleiner wirken, so die Architekten. Die Farbwahl verstärkt den abstrakten und plastischen Charakter. Durch die ockerroten Leibungen der Fenster der Berufsschule wirken die Öffnungen wie aus dem Volumen herausgeschnitten. Dunkle Farbe haben die Architekten auch für die Storenkästen und für die geschosshohen Lüftungsklappen des Gymnasiums gewählt. Auch in den Innenräumen ist die Farbe das verbindende Element. Die Korridore sind in beiden Häusern hellblau, die Innenflächen der Treppenhäuser orange gestrichen. Für die Bibliothek und die Cafeteria wählten Geninasca und Delefortrie ein dunkles, metallisches Grau. Die Räume wirken sehr dezent. Und trotz der dumpfen Oberflächen wird das Licht da und dort reflektiert.

Normalgeschoss:
Luftraum Cafeteria 1, Berufsschule 2, Gymnasium 3, Dach der neuen Turnhalle 4, bestehende Turnhalle 5
 
Verbindungsgeschoss unter dem Deck mit den allgemeinen Räumen:
Bibliothek 1, Musikzimmer 2, Informatikzimmer 3, Dreifach-Turnhalle 4, Hof mit <Bois du silence> 5, Hof mit <Bassin du murmure> 6

Zitatenreich
Der Bau ist reich an Verweisen. Die schwarzen, hölzernen Stabgitterwände zwischen Halle und Gang der Turnhalle, werden weniger als Sportgerät wahrgenommen, sondern eher als klösterlicher Raumteiler. Auch das Gangsystem unter dem Holzdeck weist eine typologische Verwandtschaft mit dem Kloster La Tourette von Le Corbusier auf. Die beiden versenkten Innenhöfe hingegen verströmen eine ja-panische Atmosphäre. In Kombination mit dem Holzdeck erinnern sie an die Nationalbibliothek von Dominique Perrault in Paris. Auch hier gruppieren sich Lesesäle unter einem Holzdeck rund um einen versenkten Garten. Die vielen Anspielungen geben der Anlage von Geninasca und Delefortrie eine zusätzliche Dimension. Die Architektur bietet nicht nur ein räumliches Erlebnis, sondern ist auch eine architektonische Verweislandschaft.

Schulzentrum Marcelin
1996–2003

Morges

Bauherrschaft
Kanton Waadt
Département des
infrastructures
Service des bâtiments

Architektur und
Ausführung
Geninasca-Delefortrie
Neuchâtel
mit Tekhne Management
Lausanne

Projektleiter
Ph. Von Bergen
M. Egger

Mitarbeiter
P. Bernasconi
J.-M. Deicher
T. Henking
V. Matthey
E. Ott
L. De Stafano

Kunst am Bau
Daniel Schlaepfer
Lausanne

Bauvolumen
183 800 m3

Baukosten
(BKP 1–9)
CHF 93,5 Mio

Gebäudekosten
(BKP 2/m3)
CHF 420.–



Geninasca Delefortrie
Laurent Geninasca, geboren 1958, studierte an der ETH Zürich Architektur und arbeitete nach einem Praktikum bei Luigi Snozzi im Büro Monnier in Neuchâtel. Bernard Delefortrie ist 1959 geboren und stammt aus Belgien. Er studierte in Brüssel, arbeitete für kurze Zeit in Marokko und kam schliesslich zu Claude Rollier nach Neuchâtel. Beim Wettbewerb für das neue Spital Pourtalès in Neuchâtel erhielt Monnier mit Geninasca und Schmid den ersten Rang, Rollier mit Delefortrie den zweiten Rang. Der Wettbewerb brachte die beiden zusammen und 1995 gründeten sie ein Büro in Neuchâtel. Heute beschäftigen sie 20 Mitarbeiter. Nebst Umbauten realisierten Geninasca und Delefortrie die Primarschule mit Turnhalle Acacias (mit Monnier) in Neuchâtel (HP 10/99), das neue Dach vor dem Bahnhof Neuchâtel, eine Passerelle über die Areuse (HP 6-7/03) oder ein Mehrfamilienhaus in Peseux.
www.gd-archi.ch

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