Das Haus der Töne

L2A Architekten
16. November 2023
Der östliche Zugang führt Schüler*innen und Besucher*innen sanft an das Gebäude heran und verjüngt sich weiter zum Pausenplatz. (Foto: Dominic Fischer)
Herr Rosser, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Auf dem Pausenplatz der Oberstufenschule Bolligen sollte eine Musikschule entstehen. Diese hatte sich ortsbaulich einzugliedern, sollte aber dennoch eine gewisse Eigenständigkeit entwickeln. Die öffentlichen Nutzungen waren im Erdgeschoss unterzubringen. 

Dort ist nun die grosszügige Eingangshalle zugleich Ankunftsort, Treffpunkt und Foyer des integrierten, mit Parkett ausgestatteten Konzertsaals. Und vom Foyer aus sind Blickbezüge in die Obergeschosse vorhanden, welche wiederum über unterschiedliche Ausblicke und Aufenthaltsbereiche sowie kurze Korridorwege verfügen. 

Der Konzertsaal erhält mit dem erweiterten Pausenplatz einen äusserst attraktiven Aussenraum, welcher zudem in die Nutzungsüberlegungen einbezogen werden kann. Die hohe Aufenthaltsqualität erforderte eine sorgfältige Farbgestaltung, Belichtung sowie insbesondere von Zimmer zu Zimmer den passenden Schallschutz.

Das Foyer vermittelt zwischen Konzertsaal, Übungsräumen und den oberen Geschossen. Zudem öffnen sich schöne Blicke auf die grüne Umgebung des Neubaus. (Foto: Dominic Fischer)
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?


Raum für Begegnung und Interaktion zu schaffen, war ein wichtiger Kernpunkt, der uns beim Entwurf geleitet hat. Ein als zentraler Lichthof respektive nach oben offenes Atrium ausgebildetes Foyer bindet die Erschliessungsschichten räumlich zusammen und lässt die in den Unterrichtseinheiten gespielte Musik frei beziehungsweise geschossübergreifend fliessen.

Die Töne der verschiedensten Instrumente sind in der Bewegung durchs Gebäude allgegenwärtig, weben sich in die Sphäre der eigenen Wahrnehmung ein. Deshalb wirkt das Foyer insgesamt als identitätsstiftendes Element in diesem «Haus der Töne», das über eine einfache und robuste Struktur sowie einen punktgespiegelten, windmühlenartigen Grundriss verfügt.

Der zentrale Lichthof sorgt für angenehme Helligkeit sowohl in der inneren Erschliessungszone als auch in den Übungsräumen im Kern der Musikschule. (Foto: Dominic Fischer)
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?


Wir haben den Neubau so gesetzt, dass er gleich mehrere gestalterische Funktionen innerhalb der Schulanlage ausfüllt. So wird er auf der unteren Erschliessungsebene des Ensembles zu einem neuen Auftakt. Gleichzeitig bildet er aber auch einen überzeugenden räumlichen Abschluss auf der Westseite und ermöglicht eine zweiseitig ausgerichtete Adressierung. Zudem konnte durch die von uns gewählte Anordnung der Baumbestand entlang der angrenzenden Kantonsstrasse weitgehend erhalten werden.

Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?


Bolligen liegt nordöstlich von Bern, die Jurakette, das Worblen- und das Emmental modulieren das landschaftliche Panorama. Die Gemeinde schrieb 2018 einen zweistufigen Gesamtleistungswettbewerb im selektiven Verfahren für den Neubau der Musikschule aus. Das Ziel war, architektonisch, ökologisch und ökonomisch optimierte Projektvorschläge für ein mehrgeschossiges, hindernisfreies, langfristig gut nutzbares und dauerhaftes Gebäude zu erhalten. Unter fünf eingereichten Projekten ginge unseres als Sieger hervor. 

Mit direkten Bezügen zum Foyer und zum Pausenplatz ist der Konzertsaal das Herzstück des Erdgeschosses. Der in dunklem Blau gehaltene Raum dient sowohl zum Üben als auch für Auftritte. (Foto: Dominic Fischer)
Durch den windmühlenartigen Grundriss gibt es überall im Gebäude einen direkten Sichtbezug zum Aussenraum. (Foto: Dominic Fischer)
Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?


Die einzige nennenswerte Änderung war die Planung und Installation einer PV-Anlage, womit der Minergie-A-Standard erreicht werden konnte.

Was macht das Äussere der Musikschule aus?


Das Gebäude hebt sich in seinem äusseren Erscheinungsbild mit der Holzfassade bewusst von der gebauten Umgebung ab. Die unterschiedlich grossen und teils anders «getakteten» Schalungsfelder aus Tannenholz, die durch die unregelmässig gesetzten, geschosshohen Öffnungen entstehen, verleihen ihm einen verspielten Ausdruck; ebenso der anders akzentuierte Sockel. Umlaufende Bänder definieren optisch die Geschossigkeit.

Die Bäume draussen erzeugen drinnen ein schönes Schattenspiel auf dem geschliffenen Unterlagsboden. (Foto: Dominic Fischer)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?


Planung und Ausführung waren grossen wirtschaftlichen Zwängen ausgesetzt. Das Hauptaugenmerk haben wir deshalb auf die Bewältigung der Anforderungen an den Schallschutz und die Akustik gelegt.

Die Zwischenwände sind mehrschalig konstruiert, um die Ausbreitung des Luftschalls unter Kontrolle zu halten und die Durchmischung etwa von Posaunen- mit Geigenklängen einzudämmen. Im Raum selbst sollen schräggestellte Wände das Flatterecho verhindern und dicke Vorhänge den Lehrpersonen eine Regulierung der Akustik ermöglichen.

Der Saal im Erdgeschoss liegt ebenerdig am Pausenplatz und erlaubt direkte Einblicke in das Geschehen. Die Unterrichtszimmer in den Obergeschossen sind gleichmässig um das Gebäude verteilt. (Foto: Dominic Fischer)
Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?


Das Gebäude lebt von den Gegensätzen zwischen seinem Äusseren und der Gestaltung der Innenräume: Für Letztere haben wir ein Farbkonzept entwickelt, welches die verschiedenen Raumnutzungen und Stimmungen unterschiedlich innerhalb eines Farbkanons abbildet. Aussen gibt die vorgehängte Holzfassade dem Gebäude einen monolithischen Ausdruck.

Situation (© L2A Architekten)
Grundriss Erdgeschoss (© L2A Architekten)
Grundriss 1. Obergeschoss (© L2A Architekten)
Grundriss 2. Obergeschoss (© L2A Architekten)
Bauwerk
Musikschule Bantiger (vormals Musikschule Unteres Worblental)
 
Standort
Eisengasse 3a, 3065 Bolligen
 
Nutzung
Musikschule
 
Auftragsart
Gesamtleistungswettbewerb
 
Bauherrschaft
Einwohnergemeinde Bolligen
 
Architektur
L2A Architekten AG, Unterseen
Paul Rosser, Marcel Abegglen und Karin Jaun
 
Fachplaner 
Bauingenieur: Theiler Ingenieur AG, Thun, und Brügger Markus Ingenieurbüro ETH, Laupen
Elektroingenieur: fux & sarbach ENGINEERING AG, Gümligen
HLKS-Ingenieur: Grünig + Partner AG, Haustechnik-Ingenieure, Liebefeld, und Opti E GmbH, Bolligen
Landschaftsarchitekt: Weber + Brönnimann AG Ingenieurbüro, Bern
Geometer: bbp geomatik ag, Gümligen, und T-Vermessung GmbH, Busswil bei Büren
Geologe: A. Werner und Partner Burgdorf AG, Burgdorf
Bauphysik: HSR Ingenieure AG, Spiez
Brandschutz: SafeT Swiss AG, Ittigen, Pirmin Jung Schweiz AG, Rain, und Bühnenplan Nerlich AG, Tuggen
 
Bauleitung 
Ramseier Integral AG, Generalunternehmung, Bern
 
Fertigstellung
2022
 
Gesamtkosten BKP 1–9
CHF 4.4 Mio. exkl. MwSt
 
Gebäudekosten BKP 2
CHF 4.2 Mio. exkl. MwSt, inkl. Honorare
 
Gebäudevolumen
5660 m3
 
Kubikmeterpreis
724 CHF/m3
 
Energiestandard
Minergie A
 
Massgeblich beteiligte Unternehmer 
Baumeister: Ramseier Bauunternehmung AG und Fräbag AG, beide Bern
Fenster aus Holz: A. Reist Schreinerei AG, Bern
Fenster aus Holz/Metall: G. Baumgartner AG, Hagendorn
Aussentüren und Tore aus Metall: MLG Metall und Planung AG, Bern
Spengler: Ramseyer und Dilger AG, Bern
Spezielle Dichtungen: Jimmys-Fugen Abdichtungen GmbH, Bern
Sonnenstoren: Storama AG, Bern
Elektriker: Muff und Schmutz AG, Bolligen, und Jaisli-Xamax AG, Dietikon
Gebäudeautomation: Muff und Schmutz AG, Bolligen, Reimat GmbH, Othmarsingen, und Gfeller Licht- und Tontechnik AG, Bern
Gärtnerarbeiten: Vogel Gartenbau AG, Bern
Kanalisationsleitungen: Frutiger AG, Bern
Werkleitungen und Kanalisationen: Buri Kaufmann AG, Bolligen
Oberbau: Huldi + Stucki AG, Bern
Photovoltaikanlage: Brunner + Imboden AG, Thun
HLKS: Badertscher + Co AG, Bern
Kücheneinrichtungen: Gerber B+S Küchen, Bern
Aufzüge: Otis SA, Fribourg
Gipser: Ramseier Fassaden- & Holzbau AG, Bern
Metallbauarbeiten: Minder + Zysset AG, Seftigen
Schreinerarbeiten: Schreinerei Rothen, Lanzenhäusern
Schliessanlagen: KOCH Group AG, Bern
Unterlagsböden: Frutiger AG Bodenbelagstechnik, Bern
Bodenbeläge: InterTapis AG, Ittigen
Wandbeläge Plattenarbeiten: Aeberhard AG, Münsingen
Malerarbeiten innen: Mordasini Maler Gipser AG, Bern
Vorhänge und Innendekorationsarbeiten: Pfister PROFESSIONAL AG INEVO, Suhr
 
Fotos
Dominic Fischer, Bern

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