Subtile Gemeinsamkeiten und gewollte Unterschiede

Roman Hutter Architektur
7. September 2023
Die Struktur des Neubaus wurde in Reaktion auf die Bautradition Sempachs betoniert. Denn die meisten Bauten der Stadt weisen mineralische Fassaden auf. Die Oberflächen im Inneren jedoch bestehen vorwiegend aus regionalem Holz. (Foto: Markus Käch)
Herr Hutter, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Es ist ein Privileg, in einem historischen Städtchen wie Sempach zu bauen. In diesem Falle durften wir ein Stadthaus aus dem Jahre 1797 restaurieren und mit einem Neubau ergänzen. Obschon über 200 Jahre zwischen den beiden Häusern liegen, finden sich viele subtile Gemeinsamkeiten – aber auch gewollte Unterschiede, die den Stadtkörper bereichern sollen. Als Mehrwert sehen wir den neu geschaffenen hofartigen Zwischenraum. Dort, wo früher ein hölzerner Schopf an den solitären Altbau stiess, entstand ein Erschliessungsraum mit offenem Treppenaufgang, der zwischen der Kronengasse und dem dahinterliegenden Grünraum der Nachbarschaft vermittelt.

Neben insgesamt vier Stadtwohnungen beinhaltet das Projekt den Kulturkeller «im Schtei». In dem ehemaligen Käsekeller finden seit 1997 Konzerte statt. Neu ist dem Sandsteingewölbe ein Foyer vorgelagert, welches die Künstlerinnen und Künstler, aber auch die Besuchenden würdig empfängt.

Das historische Haus (links) aus dem Jahr 1797 wurde sorgfältig restauriert und um einen modernen Neubau ergänzt. (Foto: Markus Käch)
Architektonisch weisen Alt und Neu subtile Gemeinsamkeiten, aber auch offensichtliche und gewollte Unterschiede auf. Dies kommt einem schönen Stadtraum mit ablesbaren Zeitschichten zugute. (Foto: Markus Käch)
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?


Als Inspirationsquelle dient uns bei jedem Projekt die sorgfältige Lektüre des Ortes. Sempach ist reich an unterschiedlichsten Themen, die für den Neubau aufgegriffen werden konnten. Neu zusammengefügt und sinnvoll adaptiert entstand ein zeitgemässer Beitrag, der sich dennoch vornehm zurücknehmen soll.

Der Neubau nimmt zwei Wohnungen auf. Beide öffnen sich zu allen Himmelsrichtungen, beide verfügen je über einen eigenen Garten. (Foto: Markus Käch)
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?


«Sempach ist auf Mauern gebaut», heisst es. Die Oberflächen sind in der Stadt fast ausschliesslich mineralisch gehalten. Die Struktur des Neubaus wurde deswegen in Beton gegossen. Abgesehen von den Sockelpartien, den Fenstergewänden und dem Dachabschluss ist die Oberfläche gestockt – als subtiler Gegensatz zur verputzten Fassade des Altbaus. Putz ist eine additive, Stocken eine subtraktive Art der Veredelung von Mauerwerken. In ihrer Erscheinung sind sich die beiden Verfahren jedoch sehr nah. 

Die Wohnungen im Neubau wurden so ausgestaltet und ineinander verzahnt, dass beide möglichst gleichwertige Qualitäten aufweisen. So profitieren sie gleichermassen von allen vier Himmelsrichtungen und einem eigenen Garten.

Für sämtliche Innenausbauten wie hier im historischen Bestandsbau kamen unterschiedliche Hölzer zum Einsatz, die aus dem eigenen Wald der Korporation Sempach stammen. (Foto: Markus Käch)
Foto: Markus Käch
Foto: Markus Käch
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?


Die Korporation Sempach besitzt einen eigenen Wald. Deshalb war es auch ein Anliegen der Bauherrschaft, möglichst viel Holz aus dem eigenen Bestand zu verwenden. Im Wald wurde gemeinsam mit dem Förster nach geeigneten Bäumen gesucht. Die vielen unterschiedlichen Holzarten sind einerseits ihren besonderen Eigenschaften und dem jeweiligen Verwendungszweck geschuldet, andererseits aber auch der Verfügbarkeit.

So wurden sämtliche Innenausbauten aus Holz gefertigt. Dies generiert ein spannendes und atmosphärisches Nebeneinander von warmen und kühlen, harten und weichen Materialien. 

Das Nebeneinander unterschiedlicher Materialien ist spannungsreich und trägt zugleich zu einer behaglichen Atmosphäre bei. (Foto: Markus Käch)
Auch der betonierte Neubau wird im Inneren von Holzoberflächen geprägt. (Foto: Markus Käch)
Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten Ihres Büros ein?


Die Kronengasse ist eines von inzwischen vielen Projekten unseres Büros im sensiblen Kontext. Das Bauen an Orten, die einen besonders sorgfältigen Umgang verdienen, reizt uns sehr – dies nicht zuletzt auch wegen der Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege, welche wir stets sehr schätzen.

Obschon uns jede dieser Bauaufgaben um viel Wissen bereichert, beginnt die Suche nach dem richtigen Umgang mit dem Vorgefundenen immer wieder von Neuem.

Neu hat der Kulturkeller «im Schtei» ein repräsentatives Foyer erhalten. (Foto: Markus Käch)
Foto: Markus Käch
Situation (© Roman Hutter Architektur)
Grundriss Sockelgeschoss (© Roman Hutter Architektur)
Grundriss 1. Obergeschoss (© Roman Hutter Architektur)
Grundriss 2. Obergeschoss (© Roman Hutter Architektur)
Grundriss Dachgeschoss (© Roman Hutter Architektur)
Schnitt (© Roman Hutter Architektur)
Bauwerk
Kronengasse in Sempach
 
Standort
Kronengasse 1–3, 6204 Sempach
 
Nutzung
2 Zweifamilienhäuser; Konzertkeller «im Schtei»
 
Auftragsart
Wettbewerb, 1. Rang
 
Bauherrschaft
Korporation Sempach
 
Architektur
Roman Hutter Architektur GmbH, Luzern
Daniel Scheuber, Christof Wettstein, André Zimmermann, Sven Gehrig, Patrick Perren, Inigo Aya, Ilona Distel, Aurel Hettich, Amélie Christen, Monica Unternährer und Roman Hutter
 
Begleitung
Denkmalpflege Kanton Luzern: Marcus Casutt, Luzern
Archäologie Kanton Luzern: Herman Fetz, Luzern
Bauhistorische Untersuchung: Siegfried Möri, Burgdorf
Dendrochronologie: Laboratoire Romand de Dendrochfonologie, Cudrefin
 
Fachplaner 
Holzbauingenieur: Lauber Ingenieure, Luzern
 
Kostenplanung
kunzarchitekten, Sursee
 
Bauleitung 
Kaufmann & Partner, Luzern
 
Fertigstellung
2021
 
Massgeblich beteiligte Unternehmer
Baumeister: Häller Bau AG, Sempach
Natursteinarbeiten: Ceresa Bildhauerei AG, Sempach
Holzbau: Helfenstein + Muff Holzbau AG, Sempach
Antikschreiner: Josef Heini, Grosswangen
Schreinerarbeiten: Geisseler + Bühler AG, Sempach
Fenster: Haupt AG, Ruswil
Elektroanlagen: CKW, Sempach
Heizung: Gebäudetechnik Estermann AG, Hildisrieden
Ofenbau: Roth Ofenbau, Rifferswil
 
Auszeichnung
Best Architects Award 24 in Gold
 
Fotos
Markus Käch, Emmenbrücke

Vorgestelltes Projekt

Dahinden Heim Partner Architekten AG (DHPA)

Arealentwicklung Birchweid

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