Veranden, Holz und ein grüner Binnenraum – die Siedlung Waldacker

Oxid Architektur (vormals burkhalter sumi architekten)
26. Oktober 2023
Blick in den Gemeinschaftsraum zwischen den Häuserzeilen; die Gebäude werden geprägt vom aussen liegenden Erschliessungssystem und der sichtbaren Holzbauweise. (Foto: René Dürr, Zürich)
Herr Schihin, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Die Siedlung zeichnet sich vor allem durch eine warme, behagliche und nachbarschaftliche Atmosphäre aus, die durch das Baumaterial Holz in Verbindung mit den raumhaltigen Veranden und dem gemeinschaftlichen Binnenraum entsteht. 

Das aussen liegende Erschliessungssystem stärkt den Bezug der Bewohnenden zum Gemeinschaftsraum zwischen den Häuserzeilen und fördert informelle Begegnungen. (Foto: René Dürr, Zürich)
Die Anlage steht auf einem Hanggrundstück. Die Bauten folgen den Höhenlinien. (Foto: René Dürr, Zürich)
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?


Wir wollten trotz der hohen Anzahl an Wohnungen – 110 sind es insgesamt – eine Nachbarschaft schaffen. Darum haben wir einen durchgrünten, identitätsstiftenden Binnenraum zwischen zwei zeilenartigen Baukörpern aufgespannt. Dieser bildet das gemeinschaftliche Herz der Siedlung, jede Wohnung hat einen räumlichen Bezug zu ihm. Ein den Wohnungen vorgelagertes, aussen liegendes Erschliessungssystem über Veranden verstärkt als Schwellenraum den Bezug der Bewohner*innen zum gemeinsamen Binnenraum. 

Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?


Die Bauten liegen in unmittelbarer Nachbarschaft des Naherholungsgebiets Burgweiher mit dem weithin sichtbaren Tröckneturm aus Holz. Durch die überraschende Drehung des Binnenraums längs zum Hang und weil sich die beiden geknickten Zeilen mäandrierend an die Höhenkurven anschmiegen, bleibt einerseits der Blick von der Ahornstrasse zum Tröckneturm frei, andererseits fliesst der Grünraum des Naherholungsgebiets in die Siedlung hinein. Die Bewohner*innen leben also quasi im Naherholungsgebiet …

Die Bewohnenden treffen sich im Raum zwischen den Häusern. So kann trotz der schieren Grösse der Anlage eine Gemeinschaft entstehen. (Foto: René Dürr, Zürich)
Der Schwellenraum des Erschliessungssystems bietet ein hohes Mass an Aufenthaltsqualität und ist ein Treffpunkt. (Foto: René Dürr, Zürich)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?


Die Bauherrschaft und der Gesamtleister waren von Anfang an mit im Boot. Sie haben sowohl das Baumaterial Holz als auch die spezielle Erschliessung seit dem Wettbewerb mitgetragen und im Austausch auch mit beeinflusst.

Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?


Die im Wettbewerb vorgeschlagenen peripheren privaten Balkone wurden im Laufe der Planung durch Wintergärten ersetzt. Diese gewährleisten pro Wohnung einen der Veranda abgewandten individuellen Aussenraum. 

Die Holzkonstruktion der Häuser wird offen gezeigt. (Foto: René Dürr, Zürich)
Wie gliedert sich die Anlage in die Reihe der bestehenden Bauten Ihres Büros ein?


Die Siedlung fügt sich in unsere «recherche patiente» über die konstruktiven, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Vorteile eines den Wohnungen vorgelagerten Erschliessungssystems ein (siehe hierzu: Kopfbau am Saurerplatz in Arbon, 2020, oder die Casa di Ringhiera in Bellinzona, 2021). Durch die Veranden entstehen neben der Erschliessung Schwellenräume, welche gemeinschaftlich oder privat genutzt werden können, Räume für informelle Begegnungen und zufälligen Austausch. Dies trägt wesentlich zur Belebung der Nachbarschaft bei. 

Gleichzeitig fügt sich die Siedlung auch nahtlos in die Reihe unserer Neubauten in Holzbauweise ein (siehe hierzu: Pile up Giesshübel, 2013, Wannenholz, 2016, Casa di Ringhiera, 2021, und Schulhaus Sonnenberg, 2021).

In einer der insgesamt 110 Wohnungen (Foto: René Dürr, Zürich)
Durch die Verwendung von Holz als Baumaterial und die architektonische Ausgestaltung entsteht eine behagliche Atmosphäre. (Foto: René Dürr, Zürich)
Foto: René Dürr, Zürich
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?


Wir haben uns bei Oxid der klimarelevanten und enkeltauglichen Bauweise verschrieben. Wo immer es möglich ist, arbeiten wir mit dem Bestand. Und wenn ein Neubau unumgänglich ist, bauen und denken wir in Holz. 

Durch die hohe Systemik des Holzbaus und den hohen Kostendruck ist eine auf das Material abgestimmte Konstruktionsweise mit optimierten Deckenspannweiten und einem hohen Repetitionsgrad entstanden. Die strukturelle Wiederholung verleiht der Siedlung einen kraftvollen Ausdruck. Gleichzeitig ist die Anlage nicht zuletzt wegen des nachhaltigen und ressourcenschonenden Baumaterials Holz als schweizweit erstes Gebäude mit dem SNBS-Platin-Label ausgezeichnet worden. Die in der Siedlung verbaute Menge an Holz speichert 3500 Tonnen CO2 und ist in der Schweiz in 15 Minuten nachgewachsen. Zudem kann das Material einfach rückgebaut und in grossen Teilen wiederverwendet werden.

Die Eingliederung der Anlage in die hügelige Umgebung ist gut gelungen. Die Autos parkieren in einer Tiefgarage, sodass der Raum zwischen den Zeilen frei bleibt. (Foto: René Dürr, Zürich)
Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?


Holz! Die in der Fassade und den Veranden sichtbare Holzbauweise verleiht der Wohnwelt eine grosse Behaglichkeit und geniesst bei der Bewohnerschaft eine hohe Akzeptanz. Die runden Veranda-Stützen aus Holz und die sichtbare lineare Primär-und Sekundärstruktur der Verandadecken zeigen die Konstruktionsweise und wirken für die Siedlung charakterbildend.

Foto: René Dürr, Zürich
Situation (© Oxid Architektur, Zürich)
Grundriss Erdgeschoss (© Oxid Architektur, Zürich)
Grundriss Regelgeschoss, Haus 21a (© Oxid Architektur, Zürich)
Grundriss Regelgeschoss, Haus 21b (© Oxid Architektur, Zürich)
Grundriss Regelgeschoss, Haus 23 (© Oxid Architektur, Zürich)
Querschnitt (© Oxid Architektur, Zürich)
Bauwerk
Wohnüberbauung Waldacker
 
Standort
Ahornstrasse 21, 21a, 21b, 23, 23a und 23b, 9000 St.Gallen
 
Nutzung
Mehrfamilienhäuser
 
Auftragsart
Wettbewerb, 1. Preis
 
Bauherrschaft
Previs Vorsorge, Bern
 
Architektur
Oxid Architektur (vormals burkhalter sumi architekten), Zürich
Yves Schihin, Urs Rinklef, Marianne Burkhalter, Christian Sumi, Célia Rodrigues, Dorota Haaza-Iglesias, Pietro Maria Romagnoli, Gergö Vatyi, Simone Biaggi, Isabelle Schulz, Marco Mariotti und Annamaria Bonzanigo
 
Gesamtdienstleister
Renggli AG, Schötz und Sursee 
 
Fachplaner 
Appert Zwahlen Partner AG, Cham
Nänny + Partner AG, St.Gallen
3-Plan AG, Winterthur
Renggli AG, Schötz
Engytec AG, Rotkreuz 
LBM Partner AG, Schaffhausen
 
Fertigstellung
2017–2022      
 
Gebäudekosten BKP 2
CHF 36.8 Mio. exkl. MWST.
 
Gebäudevolumen
48'820 m3
                                   
Kubikmeterpreis
754 CHF/m3 exkl. MWST.
 
Energiestandard
MukEn 2018
Zertifizierung SNBS Platinum 
 
Fotos
René Dürr, Zürich

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