Wie Salzburg Baukultur lebt

Susanna Koeberle
13. Dezember 2023
Blick vom Müllnersteg auf die Salzburger Altstadt mit der Festung Hohensalzburg (Foto: © Tourismus Salzburg GmbH, G.Breitegger)

Dieser Artikel entstand für unser österreichisches Partnermagazin auf austria-architects.com.

Ja, der Name dieser Stadt hat in der Tat etwas mit Salz zu tun. Die Rede ist von Salzburg. Das Salz wurde schon seit der Römerzeit in der Gegend abgebaut und entlang der Salzach nach Salzburg oder weiter geschifft. Es war denn auch diese irdische Ressource, welche die wichtigste Einnahmequelle der Salzburger Erzbischöfe darstellte. Und dieser Reichtum prägt das Bild der Altstadt bis heute. Der erste Erzbischof von Salzburg wurde 798 geweiht, ab Mitte des 14. Jahrhunderts und bis 1803 waren die Fürsterzbischöfe weltliche Regenten und geistliche Oberhäupter zugleich. Dass die Stadt heute als Barockjuwel gilt, ist der Baulust (oder der Bauwut?) einiger Fürsterzbischöfe zu verdanken – allen voran Wolf Dietrich von Raitenau, der während seiner Regierungszeit zwischen 1587 und 1612 das mittelalterliche Salzburg in eine fürsterzbischöfliche Residenzstadt verwandelte. Davon zeugt etwa der ursprünglich romanische Dom, den er nach dem Brand von 1598 abreissen liess. Basierend auf den Plänen des italienischen Architekten Vincenzo Scamozzi – ein wichtiger Baumeister für das neue barocke Stadtbild – wurde der Dom dann in verkleinerter und veränderter Form von Santino Solari realisiert und 1628 von Fürsterzbischof Paris von Lodron eingeweiht.

Der Salzburger Domplatz mit der Mariensäule und dem Dom (Foto: © Tourismus Salzburg GmbH, G.Breitegger)

An Salz denkt man heute nicht mehr, wenn man den Namen der viertgrössten Stadt Österreichs hört. Schon eher an prächtige Barockbauten und UNESCO-Welterbe – dazu später mehr –, an die berühmten Salzburger Festspiele oder ganz profan an Mozartkugeln. Ja, auch der weltbekannte Komponist ist nämlich aus Salzburg. Geboren wurde Wolfang Amadeus Mozart 1756 an der Getreidegasse 9, die es übrigens schon zur Zeit der Römer gab, als die Stadt noch Iuvavum hiess. Anno 1150 wurde die Gasse erstmals als «Trabegasse» erwähnt, es war also nicht das Getreide, das der schmalen Strasse ihren Namen gab, sondern die Tatsache, dass man hier «trabig», sprich schnell unterwegs war. Kein Wunder, denn die Getreidegasse war das wirtschaftliche Zentrum Salzburgs. Bis in die Zeit Wolf Dietrich von Raitenaus war die Gasse die einzige Verkehrsader durch die Stadt. Ihr bauliches Charakteristikum waren die sogenannten Durchhäuser. Das waren Bauten mit einem öffentlichen Durchgang, durch den man das Gebiet am Fusse des Mönchsberg erreichen konnte. Dieser Berg ist noch so eine der vielen Besonderheiten dieses Städtchens – auch geologisch betrachtet. Dem porösen Material Mönchsberg-Konglomerat begegnet man überall in Salzburg. Seine Bauten und Mauern erscheinen als transformierter Berg. Genau genommen ist ja jedes Haus transformiertes Erdmaterial, nur, dass die Baustoffe heutiger Ortschaften meist von weit her kommen und deswegen keinen lokalen Bezug mehr aufweisen. 

Blick vom Mönchsberg auf die Altstadt (Foto: © Tourismus Salzburg GmbH, G.Breitegger)

Doch zurück zur geschichtlich bedeutsamen Gasse, die bis heute eine Ahnung davon vermittelt, wie die Stadt wohl im Mittelalter ausgesehen haben muss. Allerdings stellt sich gerade bei so gut erhaltener Bausubstanz immer die Frage nach dem Umgang mit dem historischen Bestand. Dies scheint ganz allgemein eine zentrale Frage in Salzburg zu sein. Die Stadt ist nicht erst, seit die Altstadt 1996 auf die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen wurde, Pionierin in der Pflege der Baukultur. Nicht zuletzt geht es dabei auch darum, in einem Gebiet von touristischem Interesse den Bedürfnissen der lokalen Bevölkerung gerecht zu werden. Seit 1967 unterliegt die Altstadt dem Schutz des Salzburger Altstadterhaltungsgesetzes. Das bedeutet aber nicht, dass das einzigartige barocke Stadtbild zur touristisch vermarkteten und künstlich erstarrten Kulisse werden muss. Moderne Architektur ist in Salzburg häufig erst auf den zweiten Blick erkennbar, gerade weil stets das baukulturelle Erbe mitgedacht werden muss. 

Das traditionelle schmiedeeiserne Zeichen des Hotels «Blaue Gans» an der Getreidegasse (Foto: © Arthotel Blaue Gans, Pertramer)

Ein gutes Beispiel dafür, wie eine touristische Einrichtung ohne Mozart-Kitsch in die Gegenwart überführt werden kann, ist das Arthotel «Blaue Gans» an der Getreidegasse. Allerdings ist «Hotel» für dieses Etablissement gar nicht der richtige Ausdruck, so sehr unterscheidet es sich von anderen Gaststätten, auch von den heutzutage so trendigen Boutique-Hotels. Das hat verschiedene Gründe, die nur zum Teil auf den vorbildlichen architektonischen Umgang mit der historischen Bausubstanz zurückzuführen sind. Das Haus blickt auf eine sehr lange Geschichte zurück, denn es wurde bereits 1350 von der Patrizierfamilie Aufner als Herberge gegründet. Der Hausname «Blaue Gans» geht auf das Jahr 1601 zurück, wobei die Gans eigentlich ein Fasan hätte sein sollen, wie die Hauschronik weiss. 

Überhaupt lebt dieses Haus von etlichen Geschichten, ja sogar von Mythen und Legenden. Davon erzählt auch Andreas Gfrerer gerne, wenn er durch das Gebäude führt. Seine Familie ist schon seit über hundert Jahren Besitzerin des Gebäudes. Als 1997 der Pachtvertrag seiner Eltern zu Ende ging, beschloss er, von Kalifornien zurück in seine Geburtsstadt zu ziehen und Hotelier zu werden. Damit hatte er eigentlich nie gerechnet. Scheinbar im Besitz heroischer Kräfte musste er bald feststellen, dass dieses Gefühl viel eher mit seiner Naivität und Unerfahrenheit zu tun hatte. So jedenfalls beschreibt er es in einem Büchlein, das er später publizierte und das viele vergnügliche Anekdoten zum Hotel und seiner Geschichte enthält. 

Essen im historischen Gewölbe (Foto: © Arthotel Blaue Gans, Pertramer)
Zeitgenössisches Design trifft auf historische Substanz. (Foto: © Arthotel Blaue Gans, Pertramer)

Was sich heute so selbstverständlich als beseeltes Refugium präsentiert, gründet auf langjähriger Arbeit und grossem Engagement. Ab 2000 nahm Gfrerer in Zusammenarbeit mit dem Wiener Architekten Christian Prasser – ein gebürtiger Salzburger – verschiedene Eingriffe in die denkmalgeschützte Bausubstanz vor. Seit 2002 darf sich das älteste Gasthaus Salzburgs mit dem geschützten Titel «Arthotel» schmücken. Seine Leidenschaft für Kunst beschreibt Andreas Gfrerer folgendermassen: «Wenn es überhaupt ein Sammlungskonzept gibt, ist es – einem Hotel durchaus angemessen – das der Begegnung. Die meisten Künstler sind mir persönlich bekannt. Anfangs besteht eine Faszination, es folgt ein Kennenlernen, eine Auseinandersetzung, einen Austausch. Und dann geht man wieder auseinander. Ein Hotel, auch wenn es maximalen Wohnkomfort aufweist, ist ja doch nur ein Durchgangsort. Etwas aber bleibt zurück, eine Erinnerung, ein schöner Gedanke, eine neue Sichtweise. Im besten Fall ist das ein Kunstwerk.» 

Was ihm fernliegt, ist das Schaffen einer elitären Bubble oder einer Monokultur. Das merkt man auch den 35 Zimmern an: Jedes ist einzigartig und auch so ausgestattet; massgeschneiderte Lösungen und Handwerk prägen die Atmosphäre. Die Mischung von lokalen Materialien wie Holz, Loden oder Sandstein und zeitgenössischem Design geht auf. Das Restaurant mit dem Gewölbe, den Wandmalereien und den Holzvertäfelungen spannt geschickt den Bogen zwischen Vergangenheit und Gegenwart, dazu trägt auch die Speiseauswahl bei. Und von der Sommerterrasse der «Blauen Gans» blickt man direkt auf weitere Sehenswürdigkeiten, etwa die Hofmarstallschwemme, auch Pferdeschwemme genannt, erbaut nach den Plänen von Johann Bernhard Fischer von Erlach. Dahinter ragt der Mönchsberg in die Höhe. Die Schönheit dieses Ortes ist kaum zu überbieten.

Der Herbert-von-Karajan-Platz mit der Pferdeschwemme (Foto: © Tourismus Salzburg GmbH)

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