af-z Reihe: Bosshard Vaquer Architekten

2. Februar 2011
Umbau Aufbahrungshalle Friedhof Sihlfeld, Zürich 2004. Detail der Innenraumbemalung (Bild: Hélène Binet) 

Erstmals aufgefallen sind Bosshard Vaquer Architekten mit der Aufbahrungshalle in Dietlikon im Kanton Zürich. Mit einem durchdachten, ganz auf die Aufgabe des Abschiednehmens von einem Menschen konzentrierten Gebäude gelang es ihnen, einen beinahe eigenständigen Bautypus zu schaffen. Auf einer Anhöhe neben dem Friedhof liegt das schwarze, zeltartige Gebäude, das sich in seiner Gestalt bewusst nicht an konfessionell konnotierten Sakralbauten orientiert. Mit den flach gedeckten, segmentierten Dachformen und dem bündigen Wandanschluss scheint der Monolith eher an anthroposophische Bauformen zu erinnern. Auch im Inneren ist den Architekten eine klare, konzepthafte Architektur gelungen, die sich ganz auf die Konzentration und die innere Betroffenheit durch die Aufbahrung eines Toten und das Abschiednehmen von einem nahestehenden Menschen fokussiert. Man betritt das Gebäude durch einen langen, hohen Raum mit grossen Panoramafenstern, die den Dialog mit der Natur und dem naturhaften Vorgang des Lebens und Sterbens anschaulich werden lassen. Von dort gelangt man in einen kleinen, quadratischen Innenhof. Dieser vollständig geschlossene Raum hat nur ein Oberlicht, das den Blick nach oben in den Himmel lenkt – in die Unendlichkeit. Hier schliessen sich drei Räume an, in denen jeweils nur ein Katafalk für die Aufbahrung der Toten steht. Im Gegensatz zu den anderen Räumen ist das Licht hier diffus geführt, nur das Nötigste ist erkennbar und verweist somit auf die Ewigkeit des Todes.

Nach diesem vielbeachteten Bau erhielten Daniel Bosshard und Meritxell Vaquer Fernandez ein Jahr später, 2004, den Auftrag für den Umbau und die Renovierung der Aufbahrungshalle des Friedhofs Sihlfeld in Zürich. Das 1917 entstandene Friedhofsgebäude steht unter Denkmalschutz, hatte aber aufgrund mehrfacher Umbauten vieles vom Charakter seiner Originalsubstanz verloren. Neben technischen Anpassungen ging es auch um den Umgang mit der vorhandenen Bausubstanz, von der einiges im Verborgenen ruhte – etwa die übermalte Dekorationsmalerei. Bosshard und Vaquer entschieden sich für ein behutsames Verschleifen von Renovation und Neugestaltung. Dort, wo es sinnvoll und angemessen war, wurden die alten Schablonenmalereien wiederhergestellt, ebenso ist eine der Aufbahrungskammern originalgetreu restauriert. Während jedoch im Benutzergang die Dekorationsschemata wiederhergestellt wurden, entwickelten die Architekten – angeregt von den Palmettenfriesen – eine ganz eigene Wandmalerei. Ornamentierte Flächen und Linien ziehen sich nun durch die Räume der Aufbahrungskammern und vermitteln eine ganz eigenwillige Festlichkeit. Da sich die Malereien frei über Wand und Decke ziehen, ohne die Gliederungssysteme der Architektur widerzuspiegeln, spürt der aufmerksame Betrachter, dass es sich um neue Eingriffe handeln muss, die zugleich so unaufdringlich sind, dass sie den konzentrierten Besucher nicht ablenken.

Neubau und Umbau Ferienhaus, Sarreyer, Bagnes, 2010 (Bild: Hélène Binet)

Meritxell Vaquer und Daniel Bosshard haben nach ihrer Mitarbeit im Büro von Peter Zumthor 2001 ein gemeinsames Büro in Zürich gegründet und seitdem mit einigen eindrücklichen Interventionen auf sich aufmerksam gemacht. Seit dem Erfolg der Aufbahrungshalle in Dietlikon kamen einige Folgeaufträge und Anfragen, sodass die beiden Architekten schon beinahe fürchten mussten, auf diese Baugattung festgelegt zu werden. Allen Aufgaben gemein ist jedoch ihre Arbeitsweise, der Realität des Bestehenden akribisch auf den Grund zu gehen. Erst nach längerer Recherche können sie sich in ein Gebäude einfühlen, dessen vielschichtige Realitäten verstehen und mit selektiven Massnahmen reagieren. Dabei ist es den Architekten wichtig, die «Atmosphären» der jeweiligen Räume oder Strukturen zu verstärken oder gar neu aufzuladen. So erhielten sie den nicht gerade einfachen Auftrag, die Akustik der Tonhalle St. Gallen zu verbessern und dafür eine architektonische Form zu finden, welche die räumliche Struktur der zu Beginn des 20. Jahrhunderts gebauten Tonhalle nicht beeinträchtigt. Ein weiteres Projekt, das soeben fertiggestellt wurde, ist ein Ferienhaus in Sarreyer im Wallis. Auch hier mussten Bosshard und Vaquer auf das Vorgefundene reagieren und wollten zugleich eine atmosphärische und bedeutungsvolle Architektur schaffen, die sich auch aus den Themen der Vergangenheit generiert. Anstelle eines grossen Hauses wurde aus einem alten Heuschober und einem massstäblich dazu passenden Neubau ein Ferienhaus entwickelt, um der kleinteiligen Dorfstruktur zu entsprechen. Dabei konnte der alte Holzbau mit seinem Stabwerk aus einfachen Balken und offenfugigen Füllbrettern integral erhalten bleiben. Lediglich die grossen, neuen Fensterflächen verweisen auf die neue Nutzung und stellen diese auch selbstbewusst dar. Für den dreigeschossigen Neubau wurde ein zeitgemässes Raster aus sägerohen Brettern entwickelt, das wiederum mit heutigen Fertigungstechniken die traditionelle Bauweise aufnimmt. «So sind die beiden Häuser auf der formalen und konstruktiven Ebene Verwandte», wie es Bosshard und Vaquer formulieren. Sie verzichteten darauf, in die alte Substanz eines Heuschobers einfach Fenster hineinzuschneiden und somit alt und neu zu konterkarieren, wie man es bei unzähligen Ferienhäusern findet.

Neubau Geschäfts-/Wohnhaus Europaallee, Zürich, zusammen mit Caruso St John, London (Visualisierung: Adrian König) 

Zurzeit arbeiten Daniel Bosshard und Meritxell Vaquer Fernandez an dem neuen Quartier, das auf dem Baufeld E im sogenannten Stadtraum HB in Zürich entsteht. Zusammen mit Caruso St John Architects aus London haben sie den Wettbewerb für die grosse Büro- und Wohnüberbauung gewonnen, die auf der nordwestlichen Seite des Zürcher Bahnhofes hinter dem Neubau der Pädagogischen Hochschule entsteht. Das Team entwickelte eine städtebauliche Figur, die eine für Zürich ungewöhnliche urbane Verdichtung vorsieht. Der Randbebauung folgend entstehen über dem Erdgeschoss, in dem Läden vorgesehen sind, vier Bürogeschosse; mit zwei achtstöckigen Wohntürmen, die an den Eckpunkten auf die Bürogeschosse aufgepflockt sind, entsteht ein spannungsvoller urbaner Kontrast. Hier werden grosszügige Stadtwohnungen geplant, für die Bosshard und Vaquer verantwortlich zeichnen und die durch ungewöhnliche Grundrisse auffallen.

Vorgestelltes Projekt

EBP AG / Lichtarchitektur

Schulanlage Walka Zermatt

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