Über Lebensweisen

Inge Beckel
25. Februar 2016
Die Ausstellung in der Haupthalle der ETH Zürich aus der Vogelperspektive. Bild: ib.

Gezeigt werden aber nicht Märklis Bauten. Nein, in der mit Chantal Imoderdorf konzipierten und gestalteten Ausstellung präsentiert der nunmehr eremitierte Professor rund 110 ausgewählte Arbeiten seiner Studentinnen und Studenten. Die Studierenden sind die Hauptakteure. Märkli macht es also anders. So auch an der Vernissage, die nicht mit Begrüssungs- und Dankesworten begann, sondern mit einem kurzen Konzert des Ensembles für Neue Musik Zürich. Am Schluss der Veranstaltung meinte der Geehrte übrigens, seine Zusammenarbeit mit Markus Peter am Lehrstuhl sei wohl das erste Jobsharing unter Professoren am Departement gewesen.

Der Wohnraum als Stadt- und Landschaftsraum
Doch zuerst zu den Vorträgen. Nach den Worten der Departementsvorsteherin Annette Spiro – die an die eher unkonventionellen Anfänge Märklis erinnerte und daran, dass er eigentlich zum Professor habe überredet werden müssen – folgte Laurent Stalder, Professor für Architekturtheorie an der ETHZ.

Dieser bezeichnete das Wohnen als generell roten Faden in Märklis Arbeit. Wohl zu Recht. Denn Märkli selbst erzählte, dass, wenn er mit Studierenden eine städtebauliche Aufgabe an die Hand nahm, er einleitend zuweilen ein paar Stühle und andere Gegenstände zusammen tragen liess, um mit der Gruppe unmittelbar ein Ambiente zu kreieren. Denn, so seine Überzeugung, ohne ein Lebensgefühl sollte man nicht bauen. Weder im kleinen häuslichen Massstab noch auf der städtebaulichen Ebene. Seine Entwurfsaufgaben forderten denn die Studentinnen und Studenten stets dazu auf, eine eigene Vorstellung vom Leben zu formulieren. Die sich in den baulichen Strukturen niederschlagen soll.

Viele der in den letzten Jahren an der ETH bearbeiteten Themen betreffen Bauplätze in der Stadt Zürich. Dabei waren Professor und sein Lehrstuhl überzeugt, dass es fürs Weiterbauen in der Stadt zwingend notwendig ist, über eine vertikale Erweiterung oder Transformation nachzudenken – nicht ausschliesslich in den Zentrumszonen. Dabei hat Märkli aber nicht allein die Masse im Auge. Ebenso wichtig sind ihm Aussenräume. Auch hier: Zu einer Vorstellung vom Leben in der Stadt gehören natürlich einmal die Wohnung, die Bauten, ebenso aber die Aussen- und Freiräume.

In gewissem Sinne liebt Peter Märkli das Radikale. Obwohl seine Architektur prima vista oft sehr alltäglich wirkt. Gewollt, selbstverständlich. Denn wird ein Bauplatz bearbeitet, gelegen an steilem Felsen und fernab des Treibens der lauten Welt, wird die Einsamkeit im Entwurf vertieft. Auch in der Arbeit mit den Studentinnen. Befindet sich eine Bauaufgabe demgegenüber in einer lieblichen Landschaft, braucht es keine Hülle. Hier kann der Bau sinngemäss in der Landschaft aufgehen.

Eine von Google generierte Auswahl von Peter Märklis Bauten. Bild: Screenshot.

Radikal und unabhängig
Werfen wir trotz des Fokus auf die studentischen Arbeiten einen kurzen Blick auf das Schaffen des Architekten Märkli selbst. Dessen Tätigkeit bis in frühen 1980er-Jahre zurückreicht. Da findet sich beispielsweise jenes symmetrisch aufgebaute, zweistöckige rote Haus in der Ostschweiz, das mittig fünf Säulen akzentuieren, die ihrerseits auf einem horizontal gestreiften Fundament ruhen. Eine Arbeit, die formal im Umfeld der Postmoderne anzusiedeln ist.

Oder ein Mehrfamilienhaus in Sargans von 1986: ein dreigeschossiges Volumen, geprägt von in Beton gehaltenen Laubengängen auf geschlossenem massivem Sockel. Oder dann La Congiunta als ein Ort für die Kunst des Freundes Hans Josephson: ein Konglomerat aus rohen Betonkuben, die Fassaden geschlossen, die das Licht ausschliesslich über Oblichtbänder einfallen lassen – eine Zusammenarbeit mit Stefan Bellwalder. Dieser Bau datiert in die frühen 1990er-Jahre, als die neue Sachlichkeit oder minimal tradition das hiesige akademische Architekturschaffen prägte.

Seine jüngeren Arbeiten sind meist grösser und heute auch besser bekannt. So etwa die Schule Im Birch in Zürich Oerlikon aus den Jahren 1999–2004, das Wohnhaus an der Hohlstrasse, ebenfalls in Zürich (2001–05), oder das Gebäude auf dem Novartis Campus in Basel (2003–06). Oder jüngst der Neubau für die Hotelfachschule in Zürich, wo breite Fensteröffnungen über dem Haupteingang von klassisch anmutenden Säulenelementen gerahmt werden und Kartuschen-artige Felder den dreigeschossigen Körper in der Höhe gliedern (mehr dazu etwa hier).

Peter Märkli ist ein unabhängiger Architekt, zuweilen eben auch ein radikaler. Er experimentiert mit ihn interessierenden Vorlagen und Beispielen aus der jeweiligen Zeit – oder aus der Antike. Ohne sich von ihnen vereinnahmen zu lassen. Er arbeitet mit geometrisch klaren Kuben und ist gleichzeitig zuweilen latent verspielt. Er realisiert Gebäude, die auf den ersten Blick wenig ins Auge fallen. Sie schreien nicht. Bei längerem Hinsehen lassen sie den Blick aber meist lange verweilen. Oder, wie es Märkli sinngemäss formuliert, kann sich in den Geometrien und Linien der Architektur das Leben transzendieren.


Anlässlich der Ausstellung, die in der Haupthalle der ETH Zürich gezeigt wird, ist im gta Verlag das Buch Märkli. Professur für Architektur an der ETH Zürich 2002–15 erschienen

Die Ausstellung dauert noch bis zum 3. April 2016

Öffnungszeiten
Mo bis Fr 6 bis 22 Uhr
Sa und So 8 bis 17 Uhr

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