Ein Dach für die Museumslandschaft Basel / geöffnet

Jenny Keller
8. September 2011
Das funkelnde Dach aus Keramik-Kacheln (Bild: Jenny Keller)  

Die Basler Architekten mit einem Museums-Portfolio auf der ganzen Welt haben dem Museum der Kulturen (MDK) auf dem Münsterplatz ein neues Dach aufgesetzt.

Das Museum der Kulturen gehört zu einer der bedeutendsten völkerkundlichen Sammlungen in Europa. Durch Schenkungen wuchs der Bestand kontinuierlich an, so dass man bereits 1917 einen Anbau an das ursprüngliche Haus des Architekten Melchior Berri von 1849 erstellte.

Neue Identität

2001 wurde eine zweite Erweiterung beschlossen, die dem Museum auch zu einer eigenen Identität verhelfen sollte: Bisher teilte man sich den Eingang mit dem grossen Naturhistorischen Museum an der Augustinergasse.Wer in Basel aufgewachsen ist, mag sich vielleicht erinnern, dass man, wenn man sich im Naturhistorischen Museum verlief, plötzlich im ethnologischen Museum gelandet ist, wo furchteinflössende Walliser Masken mit bösen Fratzen einen bald zur Umkehr bewegten. Seit Dienstag hat das Museum der Kulturen einen eigenen Zugang über den Münsterplatz und definiert sich von nun an auch über ein neues Ausstellungskonzept.

Endlich ein eigener Eingang (Bild: Jenny Keller) 

Der Besucher betritt einen gepflasterten Hof, der durch eine flache Treppe nach unten, in den offenen Eingangsbereich des Museums führt. Durch die Absenkung des Hofes beginnt man den Museumsbesuch im Untergeschoss, wo sich der - heutzutage aus der Museumslandschaft nicht mehr wegzudenkende - Museumsshop befindet sowie Toiletten und Schliessfächer.

Die geschlossene Fassade mit der vertikalen Begrünung (Bild: Keystone) 

Während der verglaste Eingangsbereich mit seiner Geste zum Eintreten einlädt, ist die Fassade der oberen Geschosse geschlossen: Geplant als Universalmuseum, als Haus der Wissenschaft und der Künste, verfügen die meisten Museen aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert, die heute sanierungsbedürftig sind, über zu viel Öffnungen. Das Tageslicht schadet nicht nur den Exponaten, sondern hindert die Kuratoren auch an einer grossflächigen Hängung der Ausstellungsobjekte.

Erweiterung nach oben

Geschickt gelöst haben die Architekten das Thema der Erweiterung: Statt anzubauen wurde aufgestockt. So erhält das Museum nicht nur einen weiteren Ausstellungsraum im vierten Stock, sondern auch einen eigenen Hof, der durch die Begrünung, die vom auskragenden Dach fällt zu einem idyllischen locus amoenus - einem Ort, wo man sich gerne aufhält - werden soll.

Natürlich ging es bei der Erweiterung auch um die Aktualisierung der Technik. Klima, Lüftung und Licht musste in die klassische Architektur integriert werden, wobei Jacques Herzog erklärte, dass es ihnen darum gegangen ist, den Bestand zu respektieren und das Haus von Kaschierungen, die über die Jahre in Form abgehängter Decken angebracht worden sind, zu befreien.

Steigt man das sanierte Treppenhaus empor, erblickt man grosszügige Ausstellungsräume mit Durchblicken und einzelnen Ausblicken auf die Umgebung. Unter dem von aussen spektakulären Dach angekommen, enttäuscht der oberste, neue Ausstellungsraum jedoch den erwartungsvollen Besucher.

KLeiner als geplant? Der vierte Stock des Museums (Bild: Jenny Keller) 
Unfreiwillig geknickt?

Das Dach hätte wohl höher sein sollen, was man im oberste Raum des Museums spüren kann. Die zehn Jahre Projektierungszeit waren erfüllt von Verzögerungen, weil sich nicht alle am neuen schwarzen Dach gefreut hatten: Bis vor Bundesgericht zerrten die Gegner der Museumserweiterung das unbeliebte Dach, sodass es wohl zu mehr Knicken kam, als ursprünglich projektiert. Der oberste Raum wirkt deshalb seltsam tief. Haben die Architekten von eifrigen Denkmalpflegern eins aufs Dach bekommen?

Durch ein Stahlfachwerk ist die oberste Museumshalle stützenfrei und die Faltung des neuen Dachs somit von innen erlebbar. Der Raum jedoch wirkt durch nur eine Fensteröffnung etwas dunkel, schlecht ausgeleuchtet und im Grossen und Ganzen fast ein Wenig unspektakulär, wenn man bedenkt, dass man sich im Höhepunkt des Gebäudes befindet. Unter der funkelnden Krone.  

Prominente Referenz

Das neue schwarz-grün funkelnde Dach, aus ca. 10 000 Keramik-Kacheln soll sich laut Jacques Herzogs Rede anlässlich der Eröffnung des Museum in die bestehende mittelalterliche Dachlandschaft der umliegenden Bauten einfügen. Irgendwie tut es das aber gerade nicht, denn nicht nur farblich unterscheidet es sich von seinen Nachbarn, auch kann man die expressive Faltung nur schwer in einen mittelalterlichen Kontext bringen. Doch blickt man zum grössten Nachbarn, dem Basler Münster, sieht man farbige Ziegel, die je nach Sonneneinfall ebenfalls glitzern. Vielleicht orientierten sich die Architekten ja auch an dieser grossen Referenz, dem Bauwerk von Basel. Und so ist es ist wohl kein Zufall, dass es im Museum auch immer wieder Durch- und Ausblicke zur prominenten Nachbarschaft gibt.

Stand das Münsterdach Pate für das neue Dach des MDK? (Bild: Juri Weiss) 
Unerwünschtes Grünzeug

Zehn Jahre Projektierungszeit, zwei Jahre Bauzeit und acht Monate Einrichtungszeit liegen hinter dem neueröffneten MDK. Das nicht immer alles reibungslos ablief, liegt in der Natur der Sache, denn Bauen ist das Zusammenspiel verschiedenster Akteure, die unterschiedliche Interessen vertreten. Anna Schmid, die Direktorin des Museums brachte bei der Eröffnungsrede auch ganz ehrlich «heftige Auseinandersetzungen» zwischen Architekten, Museumsleitung und der Stadt während der Bauzeit zu Sprache. Dabei geht es scheinbar nicht nur um die hängende Bepflanzung, die in wallenden Bahnen vom auskragenden Dach fällt.

Die Architekten sehen in den Hängepflanzen ein Element für eine «andersartige Atmosphäre», die dem Museum zusammen mit dem Dach eine neue Identität geben sollen. Die Begrünung soll den Hof zu einem sozialen Ort für alle Arten von Museumsaktivitäten machen. Im Interview mit der Basler Zeitung sagt Schmid: «Mit dem Pflanzenvorhang habe ich meine Probleme.» Sie glaubt, dass der Unterhalt der Pflanzen zu aufwendig sei und bezweifelt eine entsprechende Wirkung im Herbst und Winter.

Der Pflanzenvorhang von innen gesehen (Bild: Jenny Keller) 
No go: Logo

Seltsam unpassend scheint das Logo: Ein Vogel oder «M» auf pinkfarbenem Hintergrund passt nicht in die moderne Ausrichtung des MDK und wirkt seltsam antiquiert - oder direkt aus den 1990-er Jahren. Die ja wieder im Kommen sind. Ob auch das Logo zu den erwähnten Auseinandersetzungen geführt hat?

Jacques Herzog am Rednerpult mit dem unpassenden Logo (Bild: Jenny Keller) 

Vorgestelltes Projekt

TK Architekten

Revitalisierung Shopping Center «Serfontana»

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