«Wir nennen es Freiraum»

Jenny Keller
15. März 2012
getroffen

Das Büro von Westpol Landschaftsarchitekten befindet sich an einer der wohl coolsten Strassen in Basel: Auf der Feldbergstrasse im Kleinbasel feiert man während der Art Basel die besten Open-Air-Partys. In unmittelbarer Nachbarschaft befinden sich ein Plattenladen und ein Sandwichstore, der auch DJ-Equipment verkauft. Das Strassengeschehen lässt sich am Sitzungstisch, der sich beinahe in einem Schaufenster befindet, perfekt studieren und inspiriert die Landschaftsarchitekten – die eben nicht nur Bäume pflanzen – immer wieder.

Andy Schönholzer, der Inhaber von Westpol Landschaftsarchitektur kommt von der Basis. Nach der obligatorischen Schulzeit wollte er nicht länger drinnen die Schulbank drücken und hat eine Schnupperlehre als Landschaftsarchitekt in einem Gartenbaubetrieb absolviert, was ihm so gut gefallen hat, dass er eine Ausbildung zum Landschaftsgärtner darauffolgen liess. Nach einiger Zeit auf dem Beruf merkte er jedoch, dass er mehr Entscheidungen und mehr Einfluss haben wollte, also selbst diese Anlagen planen wollte, die ein Landschaftsgärtner ausführt. Er holte die Berufsmatur nach und studierte Landschaftsarchitektur in Rapperswil.

Die Faszination an der Landschaftsarchitektur besteht für ihn darin, dass man mit pflanzlichen «Materialien», mit Vegetationsschichten arbeitet. Es brauche 20, 30, 40 oder gar 50 Jahre nach Vollendung des Werks bis das eigentliche Bild erreicht wird, das man als Landschaftsarchitekt entworfen hat. Verglichen mit der Architektur könne man ein Haus nach 50 Jahren abreissen und neu bauen.

Original Arne Jacoben «Ameisen» mit drei Beinen. Vom Sitzungstisch aus hat man Ausblick auf die Feldbergstrasse. Bild: Jenny Keller

Natürlich gibt es auch die andere Seite, wo man die gleichen Prämissen vorfindet wie in der Architektur, erklärt Schönholzer weiter. Vor allem dann, wenn man im urbanen Raum arbeitet. Konkret handelt es sich dabei um Platzgestaltungen oder Strassenräume, wo teilweise sehr wenig Grün darin vorkommt. Da denke der Landschaftsarchitekt sehr ähnlich wie der Architekt. Die Arbeit eines Landschaftsarchitekten sei vor allem interdisziplinär; vielschichtige Werke entstehen mit Künstlern, Lichtdesignern oder Architekten.

Transformation Leutschenbach. Ein grossräumliches Projekt, das ein ganzes Quartier für Investoren und Bewohnerinnen atraktiviert. Bild: Westpol

Pingpongspielen mit den Architekten
Die Zusammenarbeit mit einem Architekten unterscheide sich je nach Grösse und Art eines Projektes. Geht es um Dinge wie Dichte, Proportionen oder Volumina in Bezug zu Freiräumen ergänzen sich die beiden Disziplinen. Andy Schönholzer vergleicht die Zusammenarbeit mit einem Pingpongspiel. Während der Architekt von Innen heraus denke, würden sie als Landschaftsarchitekten die Volumina von aussen betrachten und seien – ein erstaunliches Phänomen – oft zu grösseren Gesten bereit als der Architekt. Bei einem Gebäudewettbewerb habe ganz klar der Architekt den Lead. Im Idealfall diskutiert man den Städtebau zusammen und trifft Entscheidungen für den Aussenraum. Da könne man als Landschaftsarchitekt bloss im einstelligen Prozentbereich etwas bewirken. Anders sehe das aus, wenn es sich um einen städtebaulichen Wettbewerb handelt oder wenn es darum geht, Parkanlagen zu bauen, wo sich Architekturen darin befinden.

Zur Überprüfung von Proportionen klebt man bei Westpol ganz einfach Klebeband auf den Boden des Büros: Bild Jenny Keller

Die klassische Aufgabe im Büro von Westpol gibt es nicht. Man deckt ein breites Spektrum ab: Von der Terrassenbegrünung bis zu Masterplänen. Man erhält schon mal Direktaufträge für Gartenkonzepte, akquiriert aber sonst ausschliesslich über Wettbewerbe und Studien. Dabei orientiere man sich nicht an Vorbildern, sondern arbeite aufgabenbezogen. Bei jedem Projekt beginne man immer wieder bei Null. Es folge eine Analyse des Ortes und der historischen Gegebenheiten. Andy Schönholzer stellt aber fest, dass die Geschichte der Gartenkultur – etwas, das man als Student noch belächelt habe – interessanter wird, je länger er im Beruf arbeitet. Als Beispiel nennt er die 300 Jahre alten Eichenwälder, die André Le Nôtre im 17. Jahrhundert als Stecklinge hat pflanzen lassen. Die Landschaftsarchitektur brauche eben ihre Zeit, und das sei faszinierend.

Ein Wassergarten an der Oberösterreichischen Landesgartenschau 2007. Bild: Westpol

Landschaftsarchitektur in der Schweiz
Für Vorbilder muss man aber gar nicht weit gehen, denn die Schweiz steht im internationalen Vergleich sehr gut da, meint Schönholzer weiter, als jüngstes Beispiel bezeichnet er Dieter Kienast. Aber Auch Ernst Kramer sei ein wichtiger Landschaftsarchitekt für die Schweiz, und momentan gäbe es in der zeitgenössischen Landschaftsarchitektur sehr wichtige Büros, die auch dem internationalen Vergleich standhalten. In der Schweiz könne man analytische und sehr präzise Konzepte schreiben, da seien sehr wohl Parallelen zur Architektur vorhanden. Eine gewisse Seriosität hafte den Projekten in der Schweiz an, die das Verspielte leider vernachlässigt. Das werde in anderen Ländern mehr ausgelebt, mehr sogar als in der Architektur, man denke an den brasilianischen Maler und Landschaftsarchitekten Burle Marx, der eine sehr visuelle und verspielte Art hatte.

Andy Schönholzer ist fasziniert von den Holländern, ihre Landschaftsarchitektur sei sehr frech, frisch und experimentell und weniger auf lange Epochen ausgelegt. Das Spiel mit Instant-Konzepten gefalle ihm und natürlich gebe es in Holland auch sehr spannende Themen mit dem Meer und den Dämmen. Die Probleme seien andere als bei uns in der Schweiz, wo wir mit der Zersiedelung der Landschaft kämpfen. Man habe sich in der Schweiz heute aber eine gute Stellung erarbeiten können, doch gegenüber der Architektenlobby sei die Landschaftsarchitektenlobby zu schwach. Mit der Integration in den SIA wurde ein erster Schritt getan und eine sehr engagierte Generation sei heute am Werk, die der Landschaftsarchitektur zu mehr Gewicht verhelfe.

Westpol arbeitet momentan am Kunstfreilager auf dem Dreispitzareal in Basel. Die Transformation von ehemaligen Industriearealen ist ein Phänomen in der heutigen Zeit. Bild: Westpol

Die Schweiz braucht dringend ein griffiges Instrument in der Raumplanung, ist Schönholzer überzeugt. Die Diskussion sollte ausserdem intensiver geführt werden, denn es handle sich nicht nur um landschaftsarchitektonische oder architektonische Probleme, die zur Zersiedelung führen. Je Intensiver diese Diskussion geführt werde desto besser. Wie so oft gebe es kein Patentrezept, ausser demjenigen, dass man haushälterisch mit der Ressource Land umgehen soll. Und trotzdem träume jeder in der Schweiz von seinem eigenen Haus mit seinem eigenen Garten. Man sollte die Städte für Familien wieder interessanter machen, nicht nur für Singles und Doppelverdiener ohne Kinder. Denn – ein Blick auf die Strasse gibt ihm Recht – je vielfältiger ein Ort ist desto lebenswerter ist er.

Anderes Vokabular, andere Rolle
Ausserdem sei Grünraum nicht per se gut, weil er eben grün ist. Es komme darauf an, wie vernetzt er ist, welche Proportionen er hat, wie man ihn benutzen kann und wie er angeeignet wird. Er rede nicht von Grünraum sondern von Freiraum. In der Diskussion um Landschaftsarchitektur müsse man sich eines anderen Vokabulars bewusst werden.
Ausserdem müsse man mit schlauen Konzepten vieles unter einen Hut bringen. Berührungsängste zwischen der Ingenieurwelt und der ästhetischen Kultur seien da fehl am Platz. Im Hinblick auf die raumplanerischen Probleme und in grossmassstäblichen Projekten könne der Landschaftsarchitekt nämlich eine wichtige Rolle spielen.

Westpol Landschaftsarchitektur
Feldbergstrasse 42
4057 Basel
T 061 270 20 70
zum Büroprofil
Der Eingang zum Büro. Bild: Jenny Keller 
Westpol Landschaftsarchitekten GmbH ging aus der Firma Dipol Landschaftsarchitekten hervor und wurde 2008 von Andy Schönholzer gegründet. Westpol beschäftigt derzeit
elf Landschaftsarchitektinnen und Landschaftsarchitekten, darunter einen Lehrling und zwei Praktikanten.

REH4
Im geografisch begrenzten Gebiet zwischen Wettsteinbrücke, Dreirosenbrücke, Rhein und badischer Bahnhof befindet sich das Reh4, «das Mittel gegen die ganz normale Kleinstadt.» Inhaber von Läden, Galerien und progressiven Orten schliessen sich unter diesem Namen in einem Verein zusammen und verändern die Stadt.

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