Nicht ohne meine Partner

Peter Cachola Schmal
3. Oktober 2013
1991 erhielt den Pritzker Prize nur Robert Venturi – Denise Scott Brown beklagte sich 22 Jahre später (Bild: bdonline.co.uk)

Frauenpower 
Das Thema «Preisverleihungen» und die Frage nach dem Geschlecht der zu ehrenden Personen ist vor wenigen Tagen wieder siedend heiss aufgekocht. Diesmal nicht in den USA, wo wir in diesem Jahr eine bemerkenswerte Debatte um ein historisches Versäumnis der Pritzker Prize-Jury beobachten konnten. Sie wurde weltweit vorangetrieben über change.org von der Gruppe "Women in Design" der Harvard-Studentinnen Arielle Assouline-Lichten und Caroline James. Die Causa ist folgende: 1991 erhielt Robert Venturi den damals noch recht jungen Pritzker Architecture Prize. Er allein, ohne seine Büromitbegründerin und Ehefrau Denise Scott Brown, die sich 22 Jahre später über diese Ungerechtigkeit aufregte: «Sie sind mir keinen Pritzker Prize schuldig, aber eine Pritzker Aufnahme-Feier.» (They owe me not a Pritzker Prize, but a Pritzker inclusion ceremony.) Über 18.000 Menschen unterschrieben die Online-Petition, darunter etliche Träger des Pritzker Prize wie Zaha Hadid oder Rem Koolhaas, bis es der Juryvorsitzende Lord Palumbo im Juni 2013 grundsätzlich ablehnte, irgendeine Entscheidung einer Jury nachträglich zu ändern. Was wiederum grundsätzlich nachvollziehbar ist.

Lu Wenyu und Wang Shu erhielten 2010 den Schelling Architekturpreis gemeinsam, der Pritzker Prize ging 2012 nur an Wang Shu. (Bild: Wilfried Dechau)

Fälle für zwei  
Nur Wang Shu, der Pritzkerpreisträger von 2012 (dessen Büromitbegründerin und Ehefrau Lu Wenyu ebenfalls von der Jury unterschlagen wurde) relativierte die Aufregung mit seiner Aussage: «Chairman Mao sagte einmal: Frauen können die Hälfte des Himmels hochhalten. Dies beschreibt treffend die Situation zeitgenössischer Architekten. Warum ist das wichtig für Sie?» Es stellt sich tatsächlich die Frage, warum sich Herr Venturi und Frau Scott Brown erst jetzt und nicht damals schon aufgeregt hatten – und er, Robert, den Preis damals nicht verweigerte, bis man sie, Denise, ebenfalls geehrt hätte. In der Jurybegründung wurde so formuliert: «... komplementiert von seiner talentierten Partnerin, Denise Scott Brown, mit der er noch etliche weitere Bücher und Bauten bearbeitet hatte.» Vielleicht waren die Zeiten noch nicht so, dass die Herren eine solche singuläre Ehrung unfair fanden? Oder die beiden brauchten einfach das Geld und konnten es sich nicht leisten, den Preis auszuschlagen? Immerhin gab es 100.000 US Dollar, damals noch 400.000 DM!

Von Anfang an gemeinsam verantwortlich für ihr gemeinsames Büro: Louisa Hutton und Matthias Sauerbruch (Bild: Wilfried Dechau)

Der Fall Dresden  
Am 29. August 2013 wurde über eine Pressemitteilung verkündet, dass die Sächsische Akademie der Künste in Dresden den mit 25.000 Euro dotierten Gottfried Semper Architekturpreis 2013 an Matthias Sauerbruch verleihen werde. An Matthias Sauerbruch, aber nicht an seine Büromitbegründerin und Ehefrau Louisa Hutton, beide Inhaber des 70 Mitarbeiter beschäftigenden und international geehrten Berliner Architekturbüros sauerbruch hutton. Begründung: «Mit dem Gottfried Semper Architekturpreis wird eine deutsche Architektenpersönlichkeit gewürdigt.» Eine Persönlichkeit, nicht zwei. Und deutsch muss diese Persönlichkeit sein, denn leider besitzt ja Mrs. Hutton weiterhin ihre englische Staatsangehörigkeit. Soweit die formaljuristische Kleinkrämerei hinter dem peinlichen Beschluss. Die Wogen schlugen sofort hoch, viele meldeten sich im Internet, per Brief, Fax oder über Facebook bei den Verantwortlichen der Akademie, speziell bei der Sektion Baukunst, geleitet von Staatssekretär a.D., Engelbert Lütke Daldrup. Man besann sich in Dresden, änderte flugs die Satzung und inkludierte die bisher Unterdrückte, was binnen weniger Tage, am Freitag den 6. September 2013, mit einer zweiten Pressemitteilung kundgetan wurde. Vorbildlich schnell wurden also die Kohlen aus dem Feuer geholt, wenn auch etwas merkwürdig formuliert: «Matthias Sauerbruch erklärte seine Freude über die Auszeichnung, wies aber darauf hin, dass sich die wesentlichen Kriterien des Preises auf das gemeinsame Werk von ihm und der Architektin Louisa Hutton beziehen. Die Jury hat daraufhin erneut getagt und dem Wunsch des Preisträgers entsprochen, die Auszeichnung an Matthias Sauerbruch und Louisa Hutton gemeinsam zu vergeben. Das Kuratorium des Stiftungsrates hat auf Bitten der Jury die Satzung des Preises dahingehend geöffnet, dass auch Architektengemeinschaften mit dem Gottfried Semper Architekturpreis ausgezeichnet werden können.» Klingt gut, der Ablauf war aber natürlich ein anderer gewesen. Egal, der Gerechtigkeit ist für dieses Mal Genüge getan.

Pritzker Prize-Paare: Jacques Herzog und Pierre de Meuron 2001, Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa 2010 (Bilder: Hyatt Foundation)

Alter Geniekult?   Es geht auch nicht (nur) um diesen speziellen Fall, sondern um die generelle Einstellung von Preisverleihungsgremien, das singuläre (oft männliche) Genie an Stelle einer Gruppe zu küren. Eine Haltung, die heute nicht mehr zu halten ist, denn wir müssen feststellen, dass nur durch eine fruchtbare und kooperative Zusammenarbeit aller Beteiligten außergewöhnliche Projekte gelingen können. Diese Würdigung der Zusammenarbeit umfasst nicht nur die Inhabergemeinschaften und Partnerstrukturen, sondern auch die Teamarbeit mit den wichtigsten Ingenieuren (ein weiteres, weitreichendes Thema).
Sogar die Pritzkers haben ihre Satzung inzwischen umformuliert: "To honor a living architect/s" – soll heißen: einen, eine oder mehrere lebende Architekten zu ehren. Sie vergaben in der Vergangenheit bereits zweimal den Preis an ein Inhaberpaar: 2001 an die Schweizer Jacques Herzog & Pierre de Meuron und 2010 an die japanischen Chefs von SANAA, Kazuyo Sejima & Ryue Nishizawa. Aber noch verliehen sie diese jeweils als zwei einzelne Personenpreise (bei Halbierung des Preisgeldes), nicht aber an die Bürogemeinschaft, diese Würdigung hat es noch nicht gegeben. 2004 wurde mit Zaha Hadid die erste einzelne Frau mit dem Pritzker Prize geehrt. Bei der japanischen Variante des Nobelpreises, dem Praemium Imperiale (mit 115.000 Euro sehr gut dotiert) wurde noch nie eine Gemeinschaft geehrt, unter 24 Preisträgern finden sich außerdem nur zwei Frauen: Gae Aulenti und Zaha Hadid. Bei dem ältesten Großpreis, dem seit 1848 verliehenen Gold Award des Royal Institute of British Architects (RIBA), fällt unter diesen Gesichtspunkten besonders auf: 2002 ging der erste Gold Award an eine Gruppe: Archigram. Es gab bisher noch keinen Gold Award an eine einzelne Frau, auch nicht an Zaha Hadid (noch nicht?), und erst zweimal wurden weibliche Partner mitgewürdigt: 1979 Charles und Ray Eames und 1994 Michael und Patricia Hopkins.

Michael und Patricia Hopkins, Gewinner des RIBA Gold Award 1994 (Bilder: http://www.hopkins.co.uk/s/practice/people)

Frauenquoten   Wir sollten daher prüfen und schauen, an welcher Stelle wir noch Relikte dieses Kultes des einzelnen Autorengenies pflegen – und dies ändern. Es gibt so viele gemischtgeschlechtliche und herausragende Bürogemeinschaften in Deutschland, stellvertretend seien hier genannt: Lederer Ragnarsdòttir Oei, Barkow Leibinger, ludloff + ludloff, Grüntuch Ernst, Meixner Schlüter Wendt, Kister Scheithauer Gross, augustinundfrank, Wandel Hoefer Lorch, Hascher Jehle, amunt, Bolles + Wilson – allesamt unter den Top 50 des baunetz-Rankings. Welche der Inhaber werden geehrt? Wer wird von der Presse interviewt? Wer wird überhaupt namentlich erwähnt? Wer wird für Jurys eingeladen, wer für Vorträge, wer für mögliche Professuren angesprochen? Oft sind dies in letzter Zeit sogar vermehrt die Frauen unter den Inhabern, um Podien, Jurys oder Symposien geschlechtlich mehr zu mischen. Aber wer sich umhört, wird von etlichen erniedrigenden Erlebnissen dieser Frauen hören. Solange zwar deutlich über 50 Prozent der Architekturstudierenden weiblich sind, aber erst knapp unter 30 Prozent der eingetragenen Mitglieder der Architektenkammern und nur 9 Prozent der Professoren (der Ingenieurwissenschaften), wird noch öfters von Ungerechtigkeiten im Umgang mit Frauen in der Architektur zu hören sein.
Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Stimmt, aber wer zu früh kommt, den bestraft das Leben ebenfalls. Seien Sie einmal ganz ehrlich: Hatten Sie vorher schon einmal den oben erwähnten Namen der RIBA Gold Award Gewinnerin von 1994, Patricia Hopkins, gehört? Peter Cachola Schmal

Der Autor ist Direktor des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt am Main.

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